Rekonstruktion oder Restauration – die Potsdamer Garnisonskirche

Wer sich darüber freute, daß das Berliner Schloß wieder im Stadtbild erscheint oder daß der Turm der Potsdamer Garnisonskirche, vielleicht auch später wieder die ganze Kirche in absehbarer Zeit zu sehen ist, wird jetzt im zweiten Schritt nachdenklich. Sind es wirklich nur historische Rekonstruktionen oder sind es gleichzeitig auch Hinweise auf restaurative, gesellschaftliche Entwicklungen, die hier in Stein gefaßt werden. Die Architekturzeitschrift Arch+ verfolgt in ihrem aktuellem Heft Nr. 235 entsprechende Beispiele auf einer Europareise. Dabei wird sie in Berlin fündig und in Potsdam am Ort der alten Garnisonskirche. Der Baunetz Newsletter vom 16.8.2018 und vom 19.8.2019 geht der Frage nach, wieweit es bei der Garnisonskirche zu einer unkritischen Rekonstruktion kommen darf. Muß nicht auch im Wiederaufbau dieser Kirche die Erfahrung des 20. Jahrhunderts mit ihr erkennbar werden, um sie den nächsten Generationen zu vermitteln? So weist der Kasseler Architekturtheoretiker und -historiker Philipp Oswalt in einem Offenen Brief

auf die Verwicklung der Kirche in die Kolonialkriege des Kaiserreiches hin, auf ihre Nutzung durch rechtsradikale Kreise während der Weimarer Zeit und ihren Mißbrauch im Dritten Reich.

Tag von Potsdam, Adolf Hitler, Paul v. Hindenburg am
21. März 1933.
Bundesarchiv Bild 183-S38324, CC BY-SA 3.0 de

Auch nach der Wende haben sich bald wieder rechtsradikale Kräfte ihrer im Rahmen der „Traditionspflege“ bemächtigt. Spät erst haben Politik und Kirche angefangen gegenzulenken. Oswalt fragt deshalb, ob die genaue Rekonstruktion von Waffenschmuck und Kriegstrophäen am Kirchturm nicht die falschen Zeichen wären?
Aus ähnlichen Überlegungen haben jetzt über 100 namhafte Künstler*innen, Architekt*innen, Denkmalpfleger*innen, Wissenschaftler*innen, Kirchenvertreter*innen, Kulturschaffende und zivilgesellschaftlich Engagierte als Erstunterzeichner*innen einen offenen Brief und eine Petition dazu verfaßt.
Es wäre zu wünschen, daß sich Verantwortliche für solche Unternehmen mit gesellschaftlicher Relevanz vorher über geschichtliche Zusammenhänge informierten oder wenigstens kompetent beraten ließen um dann nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen.
art-

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