Sanatorium – Betriebsklinik – Universitätsklinik

Diese Ausstellung stellt einen weiteren Beitrag zu unseren Erkundigungen im Bezirk Tiergarten und insbesondere im Hansaviertel dar. Die Ausstellung ist vom 15. Oktober bis zum 29. November 2025 in der
Hansabibliothek in der Altonaerstr. 15, 10557 Berlin, U Hansaplatz zu sehen.
Öffnungszeiten:
Mo, Fr 13 – 19.30
Di, Mi, Do 12 – 18
Sa 10 – 14
So 10 – 16
Eintritt frei
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Inhalt
Impressum
Danksagungen
Einleitung
Zeitstrahl
Pläne
Sanatorium
AEG-Klinik
Neurologisches Institut
Friedrich Heinrich Lewy
Neurochirurgische und Neurologische Universitätsklinik
Paul Vogel
Wilhelm Tönnis
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Impressum

Eine Ausstellung von Gleis 69 e.V.
unter Mitwirkung von
Ulrike Eisenberg
Idee und Redaktion Gleis 69 e.V.
Kuratiert von Gleis 69 e.V.
Design Martin Seidemann
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Danksagungen und Förderung
Einen herzlichen Dank an alle, die uns auf vielfältige Weise bei der
Vorbereitung dieser Ausstellung geholfen und unterstützt haben:
Berliner Landeszentrale für politische Bildung
Bibliothek des Institutes für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin an der Charité, Berlin
Karl August Bushe-Archiv der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie, Würzburg
Alexander Darda, zeitreisen-berlin
Dr. Ulrike Eisenberg, Historian der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie
Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz
Historisches Archiv des Technikmuseum Berlin
Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg
Landesarchiv Berlin
Stefanie Musolf und Raimund Oestreich, Hansabibliothek
Photothek im Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München
Dr. Beate Schaaf
Martin Seidemann
Universitätsarchiv Heidelberg
Die Hansabibliothek ermöglichte die Ausstellung in einem angenehmen Rahmen

Die Berliner Landeszentrale für politische Bildung förderte diese Ausstellung mit einem finanziellen Beitrag.

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Einleitung
Die Klinik am Hansaplatz – ein interessantes Zeugnis der deutschen Medizingeschichte.
Ein alter Tiergartener erinnert sich. Auf dem Grundstück des heutigen Gripstheaters stand bis Mitte der Fünfziger Jahre eine gut erhaltene Ruine. In Erinnerung ist ihm vor allem die Birke auf dem oberen Rand der Ruine geblieben.
1956 wurde das Grundstück in Vorbereitung auf das geplante neue Hansaviertel geräumt. Damit verschwand auch ein interessantes Zeugnis der deutschen Medizingeschichte.
Am Ende des 19. Jahrhunderts entsteht hier das großbürgerlich bestimmte Hansaviertel.
1887 beginnen die Bauarbeiten für ein Sanatorium – direkt am Hansaplatz.
1926 wird es zur Betriebsklinik der AEG-Betriebskrankenkasse umgewandelt.
Nach einem Eigentümerwechsel erfüllt sich 1932 Friedrich H. Lewy in diesem Gebäude seinen Traum von einer neurologischen Forschungseinrichtung mit Klinikbetrieb. Der Traum ist nur von kurzer Dauer. Im Sommer 1933 muss Lewy nach der Machtübernahme durch das NS-Regime als Jude nach England emigrieren und die Charité übernimmt diesen Standort. 1937 eröffnet sie hier mit Wilhelm Tönnis als Leiter die erste Neurochirurgische Universitätsklinik Deutschlands. Mit Kriegsbeginn 1939 wird wenig später große Teile der Klinik durch ein Luftwaffenlazarett belegt.
Die hier beschriebenen klinischen Einrichtungen zeichneten sich durch einen für ihre Zeit hohen technischen und fachlichen Stand der Medizin aus.
Während die hier vorgestellten Professoren Paul Vogel und Wilhelm Tönnis trotz ihrer NS-Belastung in der Bundesrepublik ihre Universitätskarriere ungebrochen fortsetzen konnten, gelang es Friedrich Lewy nach seiner Emigration in die USA nicht, an einer Universität eine angemessene Position zu erhalten.
Die Dissertation von Michael Hondros von 2015 zur Geschichte der Neurologischen Klinik am Hansaplatz lenkte unsere Aufmerksamkeit auf diesen in Vergessenheit geratenen Ort. Mit der Ausstellung wollen wir diese bemerkenswerte Klinik jetzt auch einem größeren Personenkreis vorstellen.
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Zeitstrahl
Klinik am Hansaplatz.
Sanatorium – Betriebsklinik – Universitätsklinik
September 1887 Baubeginn des Sanatoriums in der Lessingstr. 51 (neu Nr. 46).
1890 wird das Sanatorium am Hansaplatz eröffnet.
1926 kauft die AEG-Betriebskrankenkasse das Sanatorium und baut es zur AEG-Klinik aus.
Mai 1932 erwirbt der Verein „Neurologisches Institut, Kranken- und Forschungsanstalt e. V. in Berlin“ Klinik und Grundstück.
Juli 1932 Prof. Dr. Friedrich Lewy gründet dort ein Neurologisches Institut.
August 1933 erhält Friedrich Lewy die Kündigung und emigriert nach England.
April 1934 übernimmt die Charité das Institut als Neurologische Abteilung der I. Medizinischen Universitätsklinik
1934 übernimmt Prof. Dr. Paul Vogel aus Heidelberg die Leitung.
Die Neurologische Abteilung wird durch ministeriellen Erlass zur Neurologischen Klinik aufgewertet. Gleichzeitig besteht an dem Standort eine chirurgische Abteilung, die zur Chirurgischen Universitätsklinik gehört.
April 1937 wird hier unter der Leitung von Prof. Dr. Wilhelm Tönnis die erste deutsche Neurochirurgische Universitätsklinik eröffnet.
1939 Aufwertung zur Neurologischen Universitätsklinik
Oktober 1939 Umwandlung in ein Luftwaffenlazarett
Februar 1942 Umzug des Lazaretts in die Hermann-Göring-Kaserne in Berlin Reinickendorf
August 1943 Umzug der Neurochirurgischen Universitätsklinik in das Ludwig-Hoffmann-Krankenhaus nach Berlin-Buch.
23. November 1943 Zerstörung der Klinik am Hansaplatz bei einen Luftangriff
Dezember 1956 Abbruch der Ruine
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Pläne
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Landesarchiv Berlin F Rep 290 (02) Nr.II 13083
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Landesarchiv Berlin B Rep 202 Nr. 1313.
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Sanatorium am Hansaplatz 1890 – 1926

Durch bedeutende Fortschritte in den Naturwissenschaften und der Medizin verbesserte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Diagnose, Behandlung und Therapie vieler Krankheiten erheblich. Das hatte auch Auswirkungen auf das Krankenhauswesen. Wo zuvor vormoderne Hospitäler und Lazarette die Krankenversorgung bestimmten, entstanden vor der Jahrhundertwende zahlreiche neue öffentliche und private Kliniken und Heilanstalten. Die stationäre Behandlung sorgte zusammen mit der ambulanten Versorgung, der häuslichen Krankenpflege sowie Rehabilitations- und Genesungsaufenthalten im Krankheitsfall für eine deutlich bessere Versorgung der Bevölkerung.
Der Arzt Dr. Alex Oppenheim gehörte zu den Pionieren der sogenannten Sanatorien, einer neuen Form von Heilstätten, die damals ebenfalls geschaffen wurden. Dort standen Therapien für bestimmte Erkrankungen im Mittelpunkt, bei denen häusliche Behandlungsmethoden meist scheiterten. Zu diesem Zweck gründete Oppenheim zusammen mit Dr. Berthold Pulvermacher 1885 eines der ersten Sanatorien Berlins in einem angemieteten Haus in der Bülowstr. 21.

Nr. 0068299 / Fotograf: W. Titzenthaler.
Unterstützung erhielten sie von Prof. Dr. Eduard Sonnenburg, der die chirurgische Abteilung leitete und später Chefarzt des Städtischen Krankenhauses Moabit wurde. Ihr Ziel war, ein Privatkrankenhaus für „bessere Stände“ zu etablieren und dort Behandlungen nach neuesten wissenschaftlichen Standards anzubieten. Trotz der nur 28 Betten wurden im ersten Jahr nach der Gründung bereits 2403 Patientinnen und Patienten aufgenommen, vor allem zur internistischen, operativen oder gynäkologischen Behandlung. Dabei waren die Kosten nicht unerheblich: Allein für die „Pension“ mussten 6 bis 16 Mark pro Tag bezahlt werden.

Um die Kapazität des Sanatoriums zu erhöhen, entstand 1887/88 ein von dem Architekten Emanuel Heimann im Stil der deutschen Renaissance geplanter Neubau am Hansaplatz. Das Grundstück in der Lessingstr. 51 (neu Nr. 46) gehörte ursprünglich dem Seifenfabrikanten Wilhelm Paulentz.

Das Gebäude verfügte über 40 Betten (die Hälfte davon in Einzelzimmern), zwei Operationssäle, Warte-zimmer, verschiedene Behandlungsräume, Bäder sowie Wirtschaftsräumlichkeiten. Es war zudem mit modernster Technik ausgestattet, so etwa einer Warmwasserheizung und zahlreichen Lüftungsanlagen.
Auf den breiten und beleuchteten Korridoren konnten Kranke problemlos transportiert werden.
Die Baukosten betrugen 187.000 Mark – für damalige Verhältnisse eine stolze Summe.
Das Sanatorium gewann rasch an Bedeutung und Zuspruch nicht nur in Fachkreisen. Auf Grund gestiegener Belegungszahlen musste das Gebäude in den folgenden Jahren mehrfach erweitert werden. So wurden 1890 etwa Verbindungen zum Gebäude in der Altonaer Str. 11 (neu Nr. 8) hergestellt.

Vor allem fortschrittliche Therapien spielten in der Behandlung eine zunehmende Rolle und verhalfen der Einrichtung zu ihrem Erfolg. Hinzu kam, dass hier chirurgische Eingriffe und Behandlungen bequem stationär erfolgen konnten. Auch dass eine große Anzahl medizinischer Autoritäten miteingebunden waren, verhalf dem Sanatorium zu seinem exzellenten Ruf. Selbst prominente Personen ließen sich dort gerne behandeln – so beispielsweise der Schriftsteller Heinrich Mann, der dort 1892 nach Lungenblutungen mehrere Wochen zur Pflege verbrachte oder der österreichische Erzherzog Karl Stephan, der 1898 am Blinddarm operiert wurde.

Die Trägerschaft des Sanatoriums änderte sich mit der Zeit ebenfalls. Im Jahr 1903 übernahm der Arzt
Dr. Ludwig Pollack als neuer Eigentümer das Anwesen Lessingstr. 46 und leitete gemeinsam mit Oppenheim das Sanatorium. Nach 1906 wird nur noch Pollack als alleiniger Leiter des Sanatoriums genannt.

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AEG-Klinik 1926 – 1932
Das ehemalige Sanatorium wurde von 1927 bis 1932 als Klinik genutzt. Die Betriebskrankenkasse der Allgemeinen Electicitäts-Gesellschaft (AEG) hatte die Liegenschaft 1926 für 185.000 Reichsmark von Ella Jacoby, der Witwe von Dr. Ludwig Pollack, gekauft. Nach Erteilung der Baugenehmigung erfolgte im Sommer der Umbau in eine Klinik mit 63 Betten. Die offizielle Eröffnung fand am 3. Januar 1927 statt.

Die neue AEG-Klinik am Hansaplatz ersetzte das Sanatorium für kriegserkrankte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Nollendorfstraße 21a, das 1922 mit 40 Betten von der AEG-Krankenkasse eingerichtet worden war.


Diese Einrichtung mit dem Namen „Sanitas“ diente der neuzeitlichen Behandlung von Haut-, Harn- und vor allem Geschlechtskrankheiten, die sich nach dem Ersten Weltkrieg rasch ausgebreitet hatten. Das umgebaute Gebäude am Hansaplatz bot für die Mitglieder der AEG-Krankenkasse zusätzliche Behandlungsmöglichkeiten auf dem für damalige Verhältnisse neuesten Stand.


Das Erdgeschoss bildete mit Warteraum, Aufnahme- und Behandlungszimmern, Röntgenabteilung sowie Räumlichkeiten mit Heißluftbädern, für Lichttherapie, Diathermie und Teilmassage das Herzstück der Klinik. Das Röntgen- und Lichtinstitut sowie das medizinisch-diagnostisches Laboratorium waren mit den modernsten Instrumenten und Apparaten ausgestattet.

In der ersten Etage befand sich eine Beobachtungstation mit 28 Betten. Im zweiten Obergeschoss war eine Abteilung für Geschlechtskrankheiten mit 26 Betten sowie ein Operations- und Behandlungsraum untergebracht. Im Dachgeschoss waren neben einem Dachgarten Zimmer für Pflegepersonal sowie eine Kleiderkammer und eine Waschküche vorhanden.

Fotograf A. Koreng. Unter CC BY 4.0 .
Die AEG-Betriebskrankenkasse zählte zu den zahlreichen Wohlfahrtseinrichtungen des Unternehmens. Dazu gehörten auch Unterstützungsfonds bei Arbeitsunfähigkeit, eine AEG-Sparkasse, ein Konsum-Verein für die Versorgung mit preiswerten Lebensmitteln, Stiftungen für Aus- und Weiterbildung und zur Unterstützung von Familien bei Erkrankungen, Erholungsheime, Werksspeisungen während der Arbeitszeit, ärztliche Betreuung in den Betrieben, Gesundheitsprogramme, Hygiene- und Aufklärungseinrichtungen und Büchereien.
Die eigenständige AEG-Krankenkasse wurde 1898 gegründet und nahm offiziell am 27. November 1899 ihren Betrieb auf. Die Mitarbeiterzahl des Unternehmens war Ende des 19. Jahrhunderts stark angestiegen. Bereits 1895 waren dort rund 14.000 Menschen beschäftigt. Sie gehörten zunächst der Neuen Maschinenbauer-Krankenkasse an, der sich die Rechtsvorgängerin der AEG, die Deutsche Edison-Gesellschaft, angeschlossen hatte.
Die Gründung einer eigenen Betriebskrankenkasse sollte nicht nur für einen engeren Zusammenhang zwischen Unternehmen, Belegschaft und Kasse sorgen, sondern auch eine Ausweitung der gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen ermöglichen. Im Geschäftsjahr 1900/01 waren bereits 13.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der AEG-Betriebskrankenkasse organisiert. Durch die Vergünstigungen der werkseigenen Wohlfahrtseinrichtungen waren sie deutlich besser gestellt als in vielen anderen Unternehmen.
Die Wohlfahrtseinrichtungen sind eng mit dem Gründer der AEG, Emil Moritz Rathenau (1838-1915), seiner Frau Sabine Mathilde (1845-1926) und deren Sohn Walther Rathenau (1867-1922) verbunden, denen das soziale Engagement ein wichtiges Anliegen war.

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Walther Rathenau rückte 1893 in Führungspositionen der AEG auf, zog 1899 in den Vorstand ein und
wurde 1904 Mitglied des Aufsichtsrats und ab 1912 dessen Vorsitzender. Von Mai 1921 bis zu seiner Ermordung war er außerdem Minister im Kabinett des Reichskanzlers Joseph Wirth, zuletzt ab Februar 1922 Außenminister. Er wurde am 24. Juni 1922 von Angehörigen der nationalistisch-antisemitischen Terrorgruppe Organisation Consul erschossen.

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Neurologisches Institut am Hansaplatz 1932 – 1933
Während die Betriebskrankenkasse der AEG 1926 das Hansa-Sanatorium übernahm und als Betriebs-klinik umbaute, begann im selben Jahr der Neurologe Friedrich Lewy, ein Neurologisches Forschungsinstitut zu planen. Sein Ziel sollte es sein, die Behandlungsmethoden von organisch Nervenkranken zu verbessern. Darunter fielen auch die zahlreichen Kriegsversehrten des Ersten Weltkrieges. So hatten 15% der Kriegsversehrten Kopfverletzungen erlitten.

In Berlin war das Fach der Neurologie an der Friedrich-Wilhelm-Universität / Charité entweder der Inneren Medizin oder der Psychiatrie zugeordnet und nicht als eigenständig anerkannt. Damit lag Deutschland hinter der damaligen Entwicklung in anderen europäischen Ländern und in den USA deutlich zurück.
Für sein Vorhaben sprach Lewy deshalb beim Berliner Magistrat, der Preußischen Regierung und den Reichsministerien vor und suchte Unterstützung bei Krankenversicherungen, Gewerkschaften und Kriegsversehrtenverbänden. Gleichzeitig warb er bei Fachkollegen und Pflegeverbänden für seine Pläne. Um seinem Vorhaben das notwendige Gewicht zu verleihen, gründeten Persönlichkeiten aus der Politik und einflussreichen gesellschaftlichen Kreisen die „Gesellschaft zur Gründung und Erhaltung des Neurologischen Institutes in Berlin e.V

In einem ersten Versuch plante Lewy einen Neubau neben dem Augusta-Hospital in der Scharnhorststraße. Dort war bereits der Neurochirurg Emil Heymann tätig und an einer fächerübergreifenden Arbeit mit der Neurologie interessiert. Da das fragliche Grundstück dann doch nicht zur Verfügung stand, zerschlug sich dieser Plan.
Lewy war neben der Arbeit an der Charité und in seiner Privatpraxis auch beratend in der AEG-Klinik am Hansaplatz tätig. Da sich die AEG-Betriebskrankenkasse Anfang der dreißiger Jahre aus wirtschaftlichen Gründen zu einer Schließung dieser Klinik gezwungen sah, ergriff Lewy die Gelegenheit und veranlasste 1932 den Kauf dieser Einrichtung.

Neben ca. 60 Betten verfügte die 1926 modernisierte Klinik über eine Röntgenabteilung, ein chemisch-serologisches Labor und physikalische Behandlungseinrichtungen. Außerdem befand sich im Haus noch eine Abteilung der Chirurgischen Universitätsklinik.
Lewys Bestrebungen, sein Forschungsinstitut an Einrichtungen der Charité anzuschließen, wurden von den entsprechenden Lehrstuhlinhabern rundweg abgelehnt. Prof. Karl Bonhoeffer für die Psychiatrie und Neurologie und Prof. Gustav von Bergmann für die Innere Medizin verneinten beide die Notwendigkeit eines eigenständigen neurologischen Institutes. So durfte sich Lewy nur mit seinen eigenen Patienten an der universitären Lehre beteiligen.
Aus finanziellen Gründen waren entgegen der ursprünglichen Planung keine Forschungen an Lewys Institut möglich. Die Krankenversorgung hatte Vorrang, um das Haus wirtschaftlich betreiben zu können. Aber auch das erwies sich 1933 nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten als zunehmend schwieriger, da NS-bestimmte Verbände die Klinik wegen ihrer jüdischen Ärzte boykottierten.
Nachdem Lewy die Lehrbefugnis an der Charité aberkannt worden war und im Sommer 1933 nach England emigrierte, stand die Klinik ohne Leitung da. In dieser Situation sah sich der Krankenhausträger gezwungen, den Kaufvertrag rückgängig zu machen. 1934 übernahm schließlich die Stiftung Charité die Klinik am Hansaplatz mit allen Verbindlichkeiten.



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Friedrich Heinrich Lewy
1885 Berlin – 1950 Pennsburg / Pennsylvania
Friedrich Heinrich Lewy wurde am 28.01.1885 in eine assimilierte jüdische Familie in Berlin geboren. Sein Vater war der Sanitätsrat Dr. Heinrich Lewy, seine Mutter Anna Lewy, geb. Milchner. Lewy war in zweiter Ehe seit 9.07.1924 mit Flora Maier-Gordon, geb. Maier. Das Ehepaar hatte keine Kinder.

1904 legt er sein Abitur am Friedrich-Werderschen Gymnasium ab und leistet Militärdienst im Husarenregiment von Ziethen
1904 – 1908 studiert er Medizin an der Friedrich Wilhelm Universität Berlin. Im Sommer 1906 ist er für ein Semester in Zürich eingeschrieben und hört Vorlesungen in Neuroanatomie bei Constantin von Monakow .

1908 unternimmt er zusammen mit seinem Vater eine Studienreise nach Indien.
Im Januar 1910 erhält er seine Approbation und schließt danach seine Promotion mit dem Thema „Das akustische System der Katze und des Kaninchens“ ab (Psychiatrische Universitätsklinik Berlin / Prof. Theodor Ziehen).

Ab Mai 1909 arbeitet er als Assistent für experimentelle Histologie am Physiologischen Institut der Kgl. Universität Breslau. Seit Oktober 1909 ist er Volontärassistent an der Psychiatrischen Klinik der Universität München (Emil Kräpelin) bei Alois Alzheimer.

1910 -1911 entdeckt er bei seinen Forschungen Einschlusskörperchen im Gehirn von Parkinson-Kranken (Paralysis agitans). Die Ergebnisse stellt er 1913 auf der 7. Jahrestagung der Gesellschaft der deutschen Neurologen in Breslau vor. Mit dieser Entdeckung ist er noch heute in der internationalen wissenschaftlichen Literatur bekannt.

Im Juli 1912 folgt Lewy Alzheimer als Wissenschaftlicher Assistent nach Breslau. Alzheimer wird dort Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Breslau. Lewy vertritt ihn während seiner schweren Erkrankung im neurologisch-klinischen Labor.
1914 geht Lewy an das neurologische Institut für Hirnforschung der Universität Frankfurt /M..
Ab April 1915 leistet er Militärdienst als Stabsarzt.

Letztes Kommando im Ortslazarett Haidar Pascha in Konstantinopel. Seine Erfahrungen dort fasst er in der Veröffentlichung „Geschichte und Tätigkeit des Ortslazarett Haidar Pascha“ zusammen. Nach Auflösung dieses Lazaretts trifft er mit dem Lazarettschiff Jerusalem im Februar 1919 in Italien ein und ist im März 1919 wieder Berlin
Ab 1919 kann er seine wissenschaftliche Tätigkeit als Assistent in der II. Medizinischen Klinik an der Charité (Prof. Friedrich Kraus) fortsetzen.
Dezember 1921 schließt er seine Habilitation mit dem Thema „Die Lehre vom Tonus und der Bewegung“ ab .
Im März 1923 folgt die Ernennung zum ao.Professor.

Er arbeitet u.a. mit Theodor Brugsch, Herbert Herxheimer und Hermann Zondek zusammen, daneben führt er eine Privatpraxis, berät in der AEG-Klinik am Hansaplatz und hält Vorlesungen. Es erscheinen zahlreiche Veröffentlichungen zu internistischen und neurologischen Themen.1932 reist er mit Zondek zur Behandlung von Russischen Funktionären nach Moskau

Matthäikirchplatz 8 (rechts), F.W. Lewys Wohnung und Privatpraxis. !921. Foto Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek. Staatliche Bildstelle Berlin.
Seit 1926 ist er mit Planungen für ein neurologisches Forschungsinstitut mit gleichzeitiger Krankenversorgung befasst. Zur Realisierung wird der Verein „Gesellschaft für die Errichtung und Erhaltung des Neurologischen Instituts in Berlin“ gegründet. Im November 1931 entschließt er sich, die AEG-Klinik am Hansaplatz zu übernehmen. Dabei erfährt er Widerstand von Seiten der Charité.
Im Juli 1932 eröffnet das Neurologische Institut. Ab Januar 1933 wird mit der Machtergreifung des NS-Regimes die Klinik wegen ihrer jüdischen Ärzte zunehmend boykottiert und kann so den Betrieb finanziell nicht aufrecht halten.
Am 02.08.1933 wird Lewy entlassen. Bereits im Sommer 1933 emigriert er nach England. Wegen anhaltender Schwierigkeiten in England eine angemessen Beschäftigung zu finden, nimmt er Kontakt zur Rockefeller Stiftung und zum amerikanischen „Emergency committee in aid of displaced physicians“ auf.
Im Juni 1934 reist er in die USA und wird an der Universität von Pennsylvania als Gastprofessor für Neurophysiologie eingestellt.
1936 legt er sein amerikanisches Staatsexamen ab. Sein Unterhalt wird nur durch ein Stipendium der Rockefeller Stiftung, geringe Zahlungen der Universität und die Unterstützung von jüdischen Hilfsorganisation gesichert. Dabei belasten ihn umfangreiche familiäre Verpflichtungen. Ab 1940 erhält er weiterhin nur eine Gastprofessur für Neuropathologie, ist in der Lehre beschäftigt und verfügt über kein eigenes Forschungslabor.
Er führt ein offenes Haus und nimmt Anteil am geselligen Leben, besucht regelmäßig Kongresse und kulturelle Veranstaltungen. Mit einem ausgeprägten sozialen Engagement kümmert er sich um geflüchtete deutsche Akademiker.
12.06.1940 wird das Ehepaar in den USA eingebürgert.


1942 meldet sich Lewy mit 57 Jahren zum Militärdienst und übernimmt die Leitung der Neurologischen Abteilung am Cushing Hospital Framingham / Massachusetts. Er entwickelt medizinische Versorgungszentren für periphere Nervenverletzungen.

1945 wird er im Rang eines Oberstleutnants entlassen.
Danach ist er bis 1949 an der Universität von Pennsylvania tätig und arbeitet weiter mit der Veterans Administration zusammen.
1949 unternimmt er eine Studienreise nach Argentinien.
Am 20.01.1949 konvertiert das Ehepaar zu den Quäkern.
Am 5.10.1950 stirbt Lewy in Pennsburg, Pennsylvania und wird auf dem Quäkerfriedhof in Haverford begraben. Seine Frau Flora starb am 31.01.1961.

Neurology 1947, 24: 1. o.A.
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Die Klinik am Hansaplatz – erste neurologisch-neurochirurgische Universitätsklinik 1937 – 1943
Im Frühjahr 1934 übernahm die Charité die Klinik als „Abteilung Neurologisches Institut“ der I.Medizinischen Universitätsklinik . Im selben Gebäude war außerdem eine Nebenabteilung der Chirurgischen Universitätsklinik untergebracht. Die Charité stellte von da ab nur noch arische Ärzte ein, die auch die Zustimmung der Gauleitung der NSDAP fanden.

Leiter des Neurologischen Instituts mit anfangs über 60 Betten wurde im November 1934 der Heidelberger Neurologe Paul Vogel (1900-1979). Im Juli des Jahres 1934 war er bereits als Mitglied der Fakultät nach Berlin berufen worden. Im Juli 1935 wurde auch eine Neurologische Poliklinik eingerichtet.
Die Versorgung der PatientInnen erfolgte mit Hilfe von MedizinalpraktikantInnen und VolontärärztInnen, einer damals gängigen Praxis. In wenigen Jahren habe Vogel die Klinik am Hansaplatz „von einer verwahrlosten Aufbewahrungsstätte für Hirnverletzte zur führenden neurologischen Klinik Berlins gemacht“, schreibt sein Schüler Eberhard Bay in einem Nachruf.
Die neurologischen Kliniken waren nach Inkrafttreten des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ ab 1934 angehalten, PatientInnen mit Diagnosen, die im Gesetz aufgelistet waren, zu melden und zur Sterilisation an entsprechende Kliniken zu überweisen. Paul Vogel und seine MitarbeiterInnen verfassten Gutachten (Diagnosen wie „angeborener Schwachsinn“, „Alkoholismus“, „Schizophrenie“ oder „erbliche Fallsucht“) für das Erbgesundheitsgericht und stellten auch selbst Sterilisationsanträge beim Amtsarzt. Dabei wurden von der Gruppe der untersuchten Epilepsiekranken 55% an das Gesundheitsamt als erblich belastet gemeldet.
1936 entschloss sich die Charité dort eine Neurochirurgische Klinik einzurichten. Zur Erweiterung


wurde das Nachbargebäude Lessingstr. 45 angekauft und Operationssaal und Nebenräume umgebaut.
Zum 1. Mai 1937 erhielt der Würzburger Chirurg und Neurochirurg Wilhelm Tönnis (1898-1978) in Berlin

das erste deutsche Extraordinariat für Neurochirurgie und wurde Direktor der Neurochirurgischen Universitätsklinik am Hansaplatz. Gleichzeitig übernahm der überzeugte Nationalsozialist die Leitung einer neuen Abteilung für Tumorforschung und Experimentelle Pathologie des Gehirns am Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung (KWIH) in Berlin-Buch.
Tönnis und sein neurologischer Kollege Paul Vogel müssen sich gut ergänzt haben, denn eines der Interessengebiete Vogels war die Diagnostik der Hirntumoren. Kontakte gab es offenbar schon vorher: Beide waren Mitherausgeber der „Deutschen Zeitschrift für Nervenheilkunde“.
Tönnis Schüler wurden sowohl in der Klinik am Hansaplatz als auch im Bucher Forschungsinstitut eingesetzt. Diese Verknüpfung war auch für die anfangs noch zahlreichen ausländischen Schüler attraktiv. Die meisten von ihnen kamen aus Südosteuropa und Mittel- und Südamerika. Viele begründeten später als Pioniere die Neurochirurgie in ihren Heimatländern. Schon Ende Juni 1937 standen Tönnis neue Klinik und sein Forschungsinstitut im Mittelpunkt des Interesses internationaler Neurochirurgen: Die Society of British Neurological Surgeons (SBNS) hielt ihre Sommertagung in Berlin und Breslau ab, von Pionieren der Neurochirurgie aus aller Welt besucht.

Tönnis und seine Mitarbeiter trafen sich samstags im Bucher Institut (KWIH) mit Pathologen und Neuroradiologen zu obligatorischen Falldemonstrationen und Besprechungen. Dabei hielt jeweils ein Teilnehmer eine von NS-Ideologie bestimmte Rede. Anschliessend mussten alle Anwesenden stehend die deutsche Nationalhymne singen.
Im Anschluss daran sezierte und demonstrierte der Neuropathologe Hugo Spatz (KWIH) vor dieser Gruppe die Gehirne der in der Neurochirurgischen Klinik aktuell Verstorbenen. Spatz und sein Kollege Julius Hallervorden waren bei der „T4-Aktion“ zur Ermordung von Menschen mit geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen eingebunden und untersuchten ab 1940 Hunderte ihrer Gehirne.
Im Oktober 1939 wurde die Hansaklinik zum Luftwaffenlazarett umgewandelt und um das Gebäude Altonaer Str. 8 erweitert. Damit nahm die neurochirurgische Bettenkapazität von 40 auf 80 zu. Die Neurologische Klinik trat bis auf 14 Betten alle Kapazitäten einschließlich des klinischen Labors und der Röntgenabteilung an das Lazarett ab.
Nach Vogels Weggang 1941 wurde die zivile Neurologische Klinik – inzwischen zur Neurologischen Universitätsklinik aufgewertet – kommissarisch von Maximinian de Crinis als Direktor der Universitäts-Nervenklinik geleitet. Im Februar 1942 zog das Luftwaffenlazarett (Neurochirurgie und Neurologie) in die Herrmann-Göring-Kaserne nach Berlin-Reinickendorf, da die Bettenkapazität der Hansaklinik

nicht mehr ausreichte. Bereits Ende Oktober 1943 wurde es von dort weiter nach Bad Ischl in Österreich verlegt.

Die zivile Hansaklinik wurde wieder von der Charité übernommen. Im August 1943 wurde die Neurochirurgische Universitätsklinik an den weniger gefährdeten Stadtrand nach Berlin-Buch ins Ludwig-Hoffmann-Hospital verlegt.
Am 23.11.1943 wurde das Gebäude der Klinik am Hansaplatz zusammen mit Teilen des Hansaviertels bei einem Luftangriff zerstört. Die Ruine wurde 1956 abgetragen.

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Paul Vogel,
1900 Gröbzig – 1979 Heidelberg
Paul Vogel war ein klinischer Neurologe, der von der späten Selbstständigkeit des Faches Neurologie in Deutschland geprägt war. Sein Interesse galt der Diagnostik von Hirntumoren und der verschiedenen klinischen Bilder der peripheren Nervenerkrankungen. Schon im Studium weckten die Vorlesungen des Leipziger Internisten Adolf von Strümpell ( 1853 – 1925) sein Interesse an der Neurologie.

https://www.koethen-anhalt.de/de/gymnasien/kino.html
Am 15. April 1900 in Gröbzig /Sachsen-Anhalt als Sohn des Kaufmanns Franz Vogel und seine Frau Lina, geb. Paschke geboren, besuchte er das Ludwigs-Gymnasium in Köthen Nach dem Abitur 1918 studierte er in Marburg und Leipzig Medizin. Mit einer experimentellen Arbeit bei dem Physiologen Martin Gildemeister wurde er 1924 promoviert. Seine weitere klinische Ausbildung erhielt er in Marburg, Leipzig und Heidelberg.

1927 bewarb er sich bei Viktor von Weizsäcker in Heidelberg erfolgreich um eine Assistentenstelle, als er dessen Veröffentlichung, gemeinsam mit Martin Buber, zu einer Krankengeschichte las.
1933 wurde er dort mit einer Studie über den Schwindel habilitiert.
1934 wurde ihm die Leitung der Neurologischen Abteilung (Klinik am Hansaplatz) der I. Inneren Universitätsklinik in Berlin übertragen. Gleichzeitig erhielt er die Ernennung zum ao. Professor an der Friedrich Wilhelm Universität.

Er reorganisierte die neurologische Abteilung, die nach der Emigration von Friedrich Lewy ohne eigentliche Leitung geblieben war. Dabei entwickelte sich eine Zusammenarbeit mit dem Internisten Richard Siebeck, dem Neuropathologen Hugo Spatz und ab 1937 mit dem Neurochirurgen Wilhelm Tönnis. Tönnis hatte die Leitung der ebenfalls in der Klinik am Hansaplatz neu entstandenen neurochirurgischen Klinik übernommen. Gemeinsam fungierten sie als Herausgeber der „Deutschen Zeitschrift für Nervenheilkunde“.
Vogels klinische Tätigkeit war durch eine genaue Anamnese zum Verlauf und der Lokalisation der Beschwerden bestimmt und einer folgenden subtilen Untersuchung, die den ganzen Menschen einschloss. Dabei zeigte er eine gewisse Reserviertheit gegenüber technischen Neuerungen, die nach seiner Überzeugung das Arzt-Patienten-Verhältnis zu beeinträchtigen drohten. Darin war er auch durch seinen klinischen Lehrer von Weizsäcker geprägt und dessen Vorstellung des „Gestaltkreises“ und von der Krankheit als Störung des Gleichgewichtes zwischen Innen- und Außenwelt.
In den durchweg positiv gehaltenen Lebensbeschreibungen von Paul Vogel (NSDAP-Mitglied seit 1937) findet man kaum etwas über seine Einbindung in die nationalsozialistische Gesundheitspolitik. So wurden unter seiner Verantwortung an der Klinik am Hansaplatz regelmäßig Gutachten zur Erbgesundheit erstellt. Bei vermeintlichen Erbkrankheiten erfolgte dann die Weiterleitung zur Sterilisation.
Auch über sein von NS-Ideologie geprägtes Umfeld wird wenig berichtet, nicht über Tönnis als Mitglied in NSDAP- und NS-Ärztebund, Siebeck als Fördermitglied in der SS, in NS-Ärztebund und NSDAP und Spatz als Mitglied in der NSDAP und am Euthanasie-Massenmord / T 4 Beteiligter.
Nachdem Viktor von Weizsäcker an die Universität Breslau gegangen war, wurde Vogel 1941 als sein Nachfolger zum Leiter der jetzt eigenständigen gewordenen Abteilung für Nervenkrankheiten in Heidelberg berufen.

Unter CC BY-SA 3.0.
Dort wurde er wegen seiner eindrucksvollen Vorlesungen und seines breiten klinischen Wissens sehr geschätzt.

Es entstanden weitere Arbeiten zu Verletzungen der den Arm versorgenden Nerven und zu Erkrankungen peripherer Nerven nach Impfungen und durch toxische Einflüsse.

Es folgten zahlreiche akademische Ehrungen.
Erst in den fünfziger und sechziger Jahren setzte sich Vogel in Veröffentlichungen mit der Emanzipation der Neurologie als eigenständigem klinisches Fach auseinander. Dabei hätte er in Friedrich Lewy, der dieses Thema schon in den zwanziger Jahren bearbeitet hatte und dem er in der Klinik am Hansaplatz nachfolgte, bereits früh ein Vorbild gehabt.
Paul Vogel starb am 2.09.1979 in Heidelberg.
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Wilhelm Tönnis
1898 Dortmund-Kley – 1978 Köln
Wilhelm Tönnis zählt zu den Pionieren der modernen Neurochirurgie – einem Fach, das in den 1920er Jahren in Deutschland noch kaum entwickelt war. Er initiierte unter anderem wichtige Entwicklungen in der Neuroradiologie. Durch neue Untersuchungs- und Operationsmethoden konnte die Sterberate bei neurochirurgischer Tumoroperationen stark gesenkt werden. Als Mitbegründer und Herausgeber des „Zentralblatts für Neurochirurgie“ etablierte er 1936 auch die weltweit erste Fachzeitschrift auf diesem Gebiet. Im Rückblick machte er sich durch die Einführung moderner neurochirurgischer Operationsmethoden um die Etablierung der Neurochirurgie in Deutschland verdient.
Wilhelm Tönnis wurde am 16.6.1898 in Dortmund-Kley geboren. Nach dem Abitur studierte er zunächst Landwirtschaft, wurde aber kurz danach zum Militär eingezogen. Als Feldartillerist an die Westfront versetzt wurde er schwer verletzt. 1919 entschied er sich für ein Medizinstudium in Marburg und Hamburg, das er 1924 mit einer Dissertation abschloss. Nach seiner Habilitation 1929 in Würzburg und Fortbildungen in Hamburg ermöglichte ihm 1932 ein Rockefeller-Stipendium einen Forschungsaufenthalt am Stockholmer Karolinska-Institut bei dem damals in Europa führenden Neurochirurgen Herbert Olivecrona.

Zurück in Deutschland übernahm er 1934 die Leitung der ersten eigenständigen neurochirurgischen Abteilung in seinem Heimatland an der Universität Würzburg.
1937 wurde er nach Berlin berufen, wo er als außerordentlicher Professor die erste deutsche Universitätsklinik für Neurochirurgie (Klinik am Hansaplatz) leitete. Tönnis wurde außerdem zum Leiter der Abteilung für Tumorforschung und experimentelle Pathologie des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Hirnforschung ernannt.

Im Zweiten Weltkrieg organisierte Tönnis als Generalarzt bei der deutschen Luftwaffe die Versorgung der Hirn- und Nervenverletzten. Eine Einheit mobiler Ärzte kümmerte sich um die Verletzten an der Front und um den Transport in Speziallazarette. Das Kriegsende verbrachte er im Hirnverletzten-Lazarett in Bad Ischl, das danach nach Hamburg verlegt wurde. Nach dem Krieg übernahm er kommissarisch die Leitung von 16 Lazaretten.

Trotz seiner Mitgliedschaft in der NSDAP, die er bei seiner Verhaftung 1946 in Hamburg leugnete, konnte Tönnis seine Karriere ungehindert fortsetzen.

Noch im selben Jahr wurde er zum Chefarzt und Direktor des Knappschaftskrankenhauses Bochum-Langendreer ernannt, wo er auch ein neues Zentrum für Hirnchirurgie gründete. Bereits zwei Jahre später erhielt er 1948 den ersten ordentlichen Lehrstuhl für Neurochirurgie in Deutschland an der Universität Köln, deren Rektor er von 1960-61 war.

1948 wurde er außerdem von der Max-Planck-Gesellschaft für Hirnforschung zum Direktor der Abteilung für Tumorforschung und experimentelle Pathologie berufen. Die 1950 gegründete Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie wählte ihn zu ihrem Vorsitzenden. 1952 erfolgte seine Berufung in die Deutsche Akademie Leopoldina. Für seine Leistungen erhielt er zahlreiche Auszeichnungen und Ehrenmitgliedschaften. Am 12. September 1978 starb er in Köln.
Tönnis Verstrickungen in den Nationalsozialismus wurden lange Zeit verschwiegen. Nach der Machtergreifung Hitlers engagierte sich der überzeugte Nationalsozialist im Bund der Frontsoldaten „Stahlhelm“, die mit der Sturmabteilung (SA), der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP verschmolzen wurde. 1937 wurde er Mitglied der NSDAP und ein Jahr später im NS-Ärztebund. Im Kaiser-Wilhelm-Instituts für Hirnforschung (KWIH), an dem Tönnis ebenfalls arbeitet, wurden nach Ausbruch des Weltkriegs die zivilen zunehmend durch militärische Strukturen überlagert. Zum militärischen Komplex zählte ab 1941/42 auch die von Tönnis geleitete Forschungsstelle für Hirn-, Rückenmark- und Nervenverletzte. Die neuen, nationalsozialistischen Forschungsprogramme führten dazu, dass das KWIH ab 1939/40 in die Begleitforschung der Euthanasie eingebunden war. Am KWIH wurden bis 1945 auch rund 700 Gehirne von Euthanasie-Opfern seziert und untersucht.
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Epilog
Die Klinik am Hansaplatz wurde im November 1943 bei den Luftangriffen auf das Hansaviertel ausgebombt. Die Gebäude waren danach noch lange im Stadtbild zu sehen, bis die letzten Ruinen 1956 abgeräumt worden sind. Die anschließende Bebauung im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1957 ließ keine Rückschlüsse mehr auf das alte Hansaviertel zu.
Auf dem Grundstück der ehemaligen Klinik am Hansaplatz steht heute unter anderem das Gripstheater.
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Landesarchiv Berlin. B Rep 202 Nr. 1311.



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Anmerkung
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