Unser Interesse gilt Berliner Gedenktafeln in Tiergarten und auch im Bezirk Mitte.
Bei gefährdeten Tafeln kümmern wir uns um ihre Inobhutnahme,
bei nach unserer Einschätzung fehlplatzierten um eine Veränderung und
bei fehlenden um die Anbringung einer neuen Gedenktafel
Heinrich Finkelstein 1865–1942
Salo Drucker 1885 – 1940
Vermögensverwertungsstelle 1941 – 1945
Ernst Boris Chain 1906 – 1979
Gabriele Tergit 1894 – 1982
Charlotte Berend-Corinth 1880-1967
Jüdische Ärzte und Ärztinnen im Krankenhaus Moabit -1933
Heinrich Finkelstein 1865–1942
Finkelstein war als langjähriger Ärztlicher Direktor des Weddinger Kinderkrankenhauses offensichtlich in Vergessenheit geraten. Wie auch das über hundert Jahre alte Kinderkrankenhaus, das 1890 von Adolf Baginsky und Rudolf Virchow als Kaiser- und Kaiserin-Friedrich-Kinderkrankenhaus gegründet und 1995 geschlossen worden ist.
Schmieden, v. Weltzien & Speer hatten das Krankenhaus nach den neuesten Erkenntnissen der Infektionslehre in Pavillonbauweise errichtet. Finkelstein leitete das Krankenhaus von 1918 bis 1933. Als Jude wurde ihm dann eine weitere ärztliche Tätigkeit unmöglich gemacht. Er floh 1939 nach Santiago de Chile.
Seine Forschungen auf dem Gebiet der Säuglingsernährung haben vielen Kindern das Leben gerettet.
2014 entstand im Kreis ehemaliger Ärztinnen und Ärzte des Kinderkrankenhauses Wedding der Wunsch mit einer Gedenktafel dort an Heinrich Finkelstein zu erinnern.
Am 1. August 2016 hatten wir erreicht, dass ihm zu Ehren eine Berliner Gedenktafel auf dem Gelände seines ehemaligen Kinderkrankenhauses enthüllt worden ist.
Salo Drucker 1885 – 1940
Als erster Stadtarzt im Wedding baute er 1922 das dortige Gesundheitsamt auf. Die ersten Diensträume des neuen Gesundheitsamtes befanden sich im Verwaltungsgebäude des Jüdischen Krankenhauses. Bereits seit 1919 hatte sich Drucker allen Bereichen der Öffentlichen Gesundheitsfürsorge gewidmet. Er starb 1940 im KZ Sachsenhausen. Seine Frau Liesbeth wurde wurde am 27. November 1941 nach Rumbula /Riga deportiert und dort direkt nach Ankunft erschossen.
Seine Gedenktafel wurde auf Betreiben des Weddinger Amtsarztes Walter Grimm 1990 am Gesundheitsamt in der Reinickendorfer Straße angebracht. Das Gesundheitsamt wurde wegen Vernachlässigung 2019 abgerissen.
2018 konnte Gleis 69 e.V. veranlassen, dass Salo Druckers Gedenktafel in Obhut genommen wurde.
Es ist jetzt geplant, die Tafel entsprechend dem historischen Bezug am Verwaltungsgebäude des Jüdischen Krankenhauses anzubringen.
Januar 2024: Inzwischen entsteht auf dem Gelände ein Neubau für die Anna-Lindh-Grundschule. Das war für uns Anlass, zu recherchieren, wo die Anfänge des Weddinger Gesundheitsamtes lagen. Entsprechend verschiedener Hinweise hat Salo Drucker als erster Weddinger Stadtarzt seine ersten Diensträume im Verwaltungsbau des Jüdischen Krankenhauses in der Iranischen Straße gehabt. Auf unsere Anfrage signalisierte die Krankenhausleitung des Jüdischen Krankenhauses ihre Bereitschaft, die Gedenktafel für Salo Drucker dort wieder anbringen zu lassen. Auch gibt es erste Absprachen mit dem Aktiven Museum, dass die Gedenktafeln federführend verwaltet. Wir hoffen, dass wir im September 2024 die Gedenktafel dann am neuen Ort betrachten können.
Am 18. September 2024 konnten wir die Gedenktafel ein zweites Mal am Jüdischen Krankenhaus enthüllen.
Vermögensverwertungsstelle 1941 – 1945
In diesem Gebäude in Alt Moabit 143 befand sich 1941 -1945 die
Vermögensverwertungsstelle beim Oberfinanzpräsidenten Berlin – Brandenburg. Gemeinfrei.
Diese Einrichtung der Finanzverwaltung stellte einen wichtigen Teil des NS-Staates bei der Ausplünderung und Vernichtung des deutschen Judentums dar. Die Gedenktafel war 1994 bewusst deplatziert aufgestellt worden. Diese Tatsache wurde fast dreißig Jahre offiziell unwidersprochen akzeptiert. Seit 2019 hat Gleis 69 e.V. mit dem Französischen Gymnasium dazu ein Projekt entwickelt. In dessen Rahmen nahm der Verein die Tafel im März 2022 vor Bauarbeiten auf dem Gelände in Obhut. Es ist geplant sie angemessen an dem kommenden Neubau wieder anzubringen.
Am 30. März 2023 fand ein Workshop im FG mit Frau Krumbholz von der Bundesanstalt für Immobilien-angelegenheiten (BIMA) und Gleis 69 e.V. statt, bei dem die beteiligten SchülerInnen Aktuelles zum Interimsbau für den Bundespräsidenten erfuhren. Außerdem legten die SchülerInnen gemeinsam den
sinnvollsten Ort für die Neuanbringung der Gedenktafel fest.
Am 13. Januar 2024 stellte die beteiligte Schülergruppe des FG ihr Projekt beim diesjährigen Tag der Offenen Tür interessierten Besuchern vor. Die Ausstellung ist inzwischen weiter ergänzt worden
Ernst Boris Chain 1906 – 1979
Fotograf unbekannt
Der maßgeblich an der Entwicklung des Penizillins beteiligte Nobelpreisträger hat lange Zeit seines Lebens in Tiergarten gewohnt. Er wurde 1990 mit einer Berliner Gedenktafel im Gesundheitsamt Tiergarten geehrt.
Nach dem Abriss des Gesundheitsamtes entstand auf demselben Grundstück ein Gebäude für die Berliner Staatsanwaltschaft. Jetzt hängt die Gedenktafel dort im Sicherheitsbereich. Besucher sind damit nicht zugelassen. Die Tafel ist praktisch „unsichtbar“ geworden.
Der Verein Gleis 69 möchte das verändern. Ein entsprechendes Projekt wird zur Zeit mit der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule entwickelt.
Am 15. September 2020 statteten deshalb Schülerinnen und Schülern der Theodor Heuss-Gemeinschaftsschule der Staatsanwaltschaft in der Turmstr. 22 einen Besuch ab, der nur als Ausnahme auf unsere Bitte hin möglich war.
Gabriele Tergit 1894 – 1982
Im Rahmen von Recherchen regte Gleis 69 e.V. 2019 eine Berliner Gedenktafel für Gabriele Tergit an. Ihre letzte Berliner Wohnung vor der Flucht ins Exil lag in Siegmunds Hof Nr. 20 fast direkt neben dem Meerbaumhaus, in dem wir 2022 eine Ausstellung über jüdische Künstlerinnen, darunter auch Gabriele Tergit, zeigten.
Ihre Gedenktafel soll nach Abschluss von Renovierungsarbeiten am Nachbarhaus angebracht werden.
Charlotte Berend-Corinth 1880-1967
Bei den Vorbereitungen für die Ausstellung “Zwischen Emanzipation und Assimilation, jüdische Künstlerinnen und Künstler in Tiergarten” haben wir uns auch mit der Malerin Charlotte Berend-Corinth beschäftigt. Ihr Werk und ihre Rolle neben ihrem Mann Lovis Corinth ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Gleis 69 e.V. hielt das für vollkommen unberechtigt und hat deshalb 2021 eine Berliner Gedenktafel für sie beantragt.
Am 30.November 2022 wurde daraufhin eine gemeinsame Gedenktafel für Charlotte Berend-Corinth und Lovis Corinth am Haus Klopstockstr. 25 – 27 eingeweiht.
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Jüdische Ärzte und Ärztinnen im Krankenhaus Moabit -1933
Bei den Vorbereitungen zu unserer Ausstellung Jüdische Ärzte und Apotheker in Tiergarten recherchierten wir 2019 auch zum Krankenhaus Moabit und zum Gesundheitsamt Tiergarten. Dabei stießen wir auf die beiden Gedenktafeln für die im Jahr 1933 von der SA aus dem Krankenhaus vertriebenen Ärztinnen und Ärzte.
Diese Ärztinnen und Ärzte waren in der Bevölkerung sehr beliebt und geschätzt. Trotzdem wurden sie von der SA gezwungen, sich innerhalb von wenigen Minuten von ihren Patienten zu trennen.
Die Gedenktafeln hängen jetzt in einem Durchgang im Haus M – sozusagen am Hinterausgang -, wo sie nach unserer Beobachtung kaum wahrgenommen werden.
Wir haben deshalb mit Angehörigen der jüdischen Ärztinnen und Ärzte und MedizinhistorikerInnen über eine Änderung dieser Situation nachgedacht. Nach unserer gemeinsamen Einschätzung und aus historischen Gründen würden die Tafeln am sinnvollsten an der Straßenfront des Hauses B in der Turmstr. 21 angebracht. Dort hängt bereits eine Berliner Gedenktafel für Georg Groscurth, zu der ein inhaltlicher Zusammenhang besteht.