Sechs Jahre war sie verschwunden – jetzt befindet sich die Berliner Gedenktafel für den ersten Weddinger Stadtarzt Salo Drucker wieder gut sichtbar am Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße. Mit einer kleinen Zeremonie wurde sie dort heute zum zweiten Mal enthüllt.
Nach der Begrüßung durch Dr. Thomas Abel von Gleis 69 e.V. hörten die Gäste ein Grußwort von Prof. Kristof Graf, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Jüdischen Krankenhaus und von Dr. Lukas Murajda, Amtsarzt im Bezirk Mitte. Danach berichtete Frau Dr.Susanne Doetz als Medizinhistorikerin von der Charité vom Wirken Salo Druckers als erstem Weddinger Stadtarzt.
Mit der Gründung von Groß-Berlin 1920 wurde auch der Stadtbezirk Wedding geschaffen. 1922 begann Drucker unter schwierigen Umständen dort ein Gesundheitsamt aufzubauen. Seine ersten Amtsräume befanden sich damals im Verwaltungsgebäude des Jüdischen Krankenhauses. Dabei galt seine Aufmerksamkeit vor allem der Gesundheit von Kindern und dem Kampf gegen den Alkoholismus. Mit der Machtübernahme des NS-Regimes verlor Drucker 1933 seine Stellung. Eine Emigration in die Schweiz misslang, sodass er wieder nach Berlin zurückkehrte und in seiner Wilmersdorfer Wohnung eine Kinderarztpraxis betrieb. 1940 wurde er unter einem Vorwand verhaftet und als Sozialist und Jude in das KZ Sachsenhausen deportiert. Dort starb er kurz darauf am 19. August 1940. Auf dem Totenschein wurde eine Lungenentzündung als Ursache angegeben.
Seine Frau Liesbeth erhielt die Urne dann gegen Bezahlung ausgehändigt und ließ sie auf dem Friedhof Weißensee bestatten. Sie selbst wurde im November 1941 nach Riga deportiert und dort direkt nach Ankunft in Rumbula erschossen.
Der frühere Amtsarzt Dr. Grimm setzte sich mit dem Weddinger Heimatmuseum für eine Berliner Gedenktafel zur Erinnerung an Salo Drucker ein. Sie wurde das erste Mal an seinem 50.Todestag 1990 am Gesundheitsamt Wedding in der Reinickendorfer Str. 60 enthüllt. Als 2017 dieses Gesundheitsamt wegen Schimmelbefalls geschlossen werden musste und 2018 der Abriss bevorstand, haben wir für die Inobhutnahme der Gedenktafel gesorgt.
Jetzt entsteht auf dem Grundstück in der Reinickendorfer Straße ein Schulneubau, der keinen historischen Bezug zu Salo Drucker besitzt. Inzwischen wussten wir, dass Drucker 1922 seine ersten Amtsräume im Jüdischen Krankenhaus gefunden hatte. Deshalb setzten wir uns dafür ein, dass dort auch seine Gedenktafel angebracht wurde. Das ist heute mit einer zweiten Enthüllung geschehen.
Das nd berichtete inzwischen über die Veranstaltung.
red-
Wir bedanken uns bei Frau Nora Hogrefe von der Koordinierungsstelle Historische Stadtmarkierungen beim Aktiven Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e.V. Sie hat für die reibungslose Umsetzung beim „Umzug“ der Gedenktafel gesorgt.
Der Landesverband der Berufsverbandes der Kinder-und Jugendärzte hat dankenswerterweise die Bewirtung der Gäste bei dieser Veranstaltung übernommen.
Die Mitarbeiter der Firma BATEG GmbH auf der gegenüberliegenden Baustelle haben sehr kooperativ dafür gesorgt, dass unsere Veranstaltung nicht durch Lärm beeinträchtigt worden ist.