Am vergangenen Donnerstag konnten die Gäste der Topographie des Terrors eine Ahnung von Geschichte bekommen. Zbigniew Anthony Kruszewski war zu Gast. Sechzehnjährig hat er als Anführer einer Pfadfindergruppe am Warschauer Aufstand August 1944 teilgenommen.
Der heute Sechsundneunzigjährige berichtet von seinen damaligen Erlebnissen, als sei es gestern gewesen. Erst für die Postzustellung verantwortlich, dann aber auch als Kurier zu den Partisanengruppen eingesetzt, hat er in dieser Zeit großes Glück gehabt. Auf der Poniatowskibrücke über die Weichsel entschied er sich, auf die westliche Seite Warschaus zu gehen und entkam so wahrscheinlich der Gefangennahme durch die Rote Armee. Dann als Gefangener der Wehrmacht gab ihm ein älterer Soldat die Chance, wieder zu fliehen. Er wurde von der Armia Krajowa als Brandwache eingesetzt, griff aber auch mit Brandflaschen deutsche Panzer an. Nach schrecklichen Erlebnissen im umkämpften Warschau ging er schließlich in deutsche Kriegsgefangenschaft. Seine Großmutter war bei den Kämpfen umgekommen, seine Mutter starb später im KZ Ravensbrück.
Er wurde in ein Gefangenenlager in der Nähe Bremens gebracht, aus dem ihn dann kanadische Soldaten befreiten. Um nicht an die Sowjets ausgeliefert zu werden, schloss er sich den polnischen Truppen unter General Anders an. Über England gelangte er schließlich in die USA, um dort unter schwierigen Umständen Politikwissenschaften zu studieren. Schließlich schlug er eine universitäre Karriere ein und lehrte an der Universität von El Paso in Texas.
Zeit seines Lebens haben ihn die Schicksale von Minderheiten beschäftigt und das Leben im Bereich von Grenzen. Gut in den USA integriert schlug sein Herz doch weiter für seine polnische Heimat. Er kümmerte sich um Gruppen von Auslandspolen und reiste jedes Jahr zu den Feierlichkeiten am 1. August zum Gedenken an den Warschauer Aufstand nach Polen.
Bei einer Begegnung mit Beata Halicka, Professorin an der Universität Poznan, entstand der Plan, seine Biographie zu schreiben. Dazu führte Halicka lange Gespräche mit Kruszewski und unternahm aber auch noch verschiedene Recherchen dazu. Jetzt ist das Buch unter dem Titel Ein Leben als Grenzgänger erschienen. Herausgekommen ist es im Verlag Harrassowitz, übersetzt hat es Gert Röhrborn.
Eingeleitet wurde die Veranstaltung von Frau Dr. Agnieszka Wierzcholska, die bei dieser Gelegenheit auch von ihrer Tätigkeit für das Deutsch-Polnische Haus berichtete. Frau Prof. Halicka schilderte die Entstehung des Buches und Prof. Bingen moderierte als früherer Direktor des Deutschen Polen-Instituts das anschließende Gespräch zwischen den Beteiligten.
Dabei wurde mehrmals der Wunsch laut, dass der deutschen Gesellschaft mehr Kenntnisse zur polnischen Geschichte vermittelt würden. Das aktuelle Wissen zu Polen sei in Deutschland noch durch große Lücken gekennzeichnet.
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