Eine Stadt in Podkarpackie

Blick auf den Rynek von Brzostek. TAL

Auf den ersten Blick sieht Brzostek wie viele kleine Landstädte in Polen aus. Aber bald entdeckt man an der Straßenecke zum Rynek das Schild ul. Żydowska und eine Gedenktafel für die ermordeten jüdischen Einwohner der Stadt.

ul. ul. Żydowska. TAL
Gedenktafel in der ul. Żydowska. TAL

Ursprünglich im Besitz des Benediktinerkloster Tyniec in der Nähe von Kraków gelangte die Stadt 1816 unter habsburgische Herrschaft.

Die Benediktinerabtei Tyniec . Fotograf J.Strzelecki. Unter CC BY 3.0

Damit konnten sich hier auch Juden ansiedeln. 1845 wurde eine jüdische Gemeinde gegründet, 1848 die Synagoge errichtet. Anfangs in Holzbauweise, später als gemauertes Gebäude. Zeitweise gehörten ca. 40 % der Einwohner zur jüdischen Gemeinde. Zur Jahrhundertwende ging aber der Anteil auf 10 % zurück. Zu dieser Zeit sank die Anzahl der Eheschließungen und der Geburten. Die jungen Männer suchten häufig ihr berufliches Fortkommen in den USA, denn sie waren zu 50 % ohne Arbeit. Es gab einen Frauenüberschuss, und Ehen wurden später geschlossen.

Die Gemeinde verfügte über eine Mikve, , einen Friedhof, eine Gemeindeschule und eine kleine Religionsschule. Ihr Einzugsgebiet erstreckte sich auch auf eine größere Anzahl der umgebenden Dörfer bis nach Pilzno. Seit 1914 war Chaim Wolkenfeld als Rabbi tätig. Juden in Brzostek lebten überwiegend vom Handel, vom Handwerk und auch von der Landwirtschaft. Aber über die Hälfte war auf die Unterstützung der nach den USA ausgewanderten Familienmitglieder angewiesen. Das Zusammenleben mit den christlichen Nachbarn war überwiegend als freundlich beschrieben, aber wirtschaftliche Konflikte kamen ebenfalls vor. Im Ersten Weltkrieg kam es unter russischer Besatzung zu gewalttätigen Übergriffen des Militärs gegenüber Juden. Nach Kriegsende gab es auch hier Pogrome. Anfeindungen gegenüber Juden fanden ebenso in der Schule statt.
In den Zwanziger Jahren hatten Juden weiterhin eine einflussreiche Stellung in der Stadt, sie waren im Stadtrat vertreten und besaßen einen Großteil der Häuser am Rynek. Vor Kriegsausbruch stellten sie mit 500 Menschen 30 % der Stadtbevölkerung.


Mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht wurden die Juden ihres Besitzes beraubt und in ein Ghetto gesperrt. Gleichzeitig wurden sie zu Zwangsarbeit herangezogen. In den ersten Kriegstagen konnte ein Teil der Gemeinde in die UdSSR retten. Andere gingen mit Hilfe der polnischen Nachbarn in den Untergrund. Ca. 80 Juden Brzosteks konnten so überleben. Allein bei der Liquidation des Ghettos am 12.August 1942 wurden 260 Menschen in das benachbarte Kolaczyce gebracht und dann im Wald von Podzamcze erschossen.

Massengrab im Wald von Podzamcze . TAL
Massengrab im Wald von Podzamcze . TAL

Auch in den übrigen umliegenden Wäldern finden sich Massengräber für ermordete Juden und Roma. Andere wurden in Belzec ermordet.

Massengrab in der Nähe von Brzosteka Zawadka. TAL
Massengrab in der Nähe von Brzosteka Zawadka. TAL
Jan Zieba aus Wola Brzosteka berichtet von der Ermordung der Familie Fisch und ihres Beschützers Jan Janton. TAL

Auf dem Jüdischen Friedhof im Norden der Stadt fanden ebenfalls Erschießungen statt. Die Ermordeten wurden dort in Massengräbern beerdigt. Der teilweise zerstörte Friedhof wurde nach Kriegsende weiter verwüstet, die Grabsteine gestohlen und anderweitig verwendet. Auf dem Grundstück wurde schließlich eine Fabrik gebaut und ein Acker angelegt.

Acker auf dem ehemaligen Jüdischen Friedhof von Brzostek.
https://sztetl.org.pl/en/node/191/99-history/137134-history-of-community

In den 1990zigern gab es bereits Pläne, einen Erinnerungsort an dem ehemaligen Friedhof zu errichten. Auf Initiative von Prof. Jonathan Webster aus Oxford, in Brzostek geboren, gelang es tatsächlich mit Hilfe der Brzostek Land Enthusiasts Society, des Bürgermeisters und der örtlichen Verwaltung, BürgerInnen der Stadt, Vertretern der KIrche und MitarbeiterInnen des Regionalmuseums Tarnów, darunter vor allem des Direktor Adam Bartosz, diesen Plan umzusetzen.

Tor des wiederhergestellten Jüdischen Friedhofs von Brzostek. TAL
Wieder aufgestellter Grabstein auf dem Jüdischen Friedhof von Brzostek. TAL

Der Friedhof wurde soweit möglich in seinen ursprünglichen Grenzen wiederhergestellt und zurückgegebene Grabsteine wieder aufgestellt. Nachkommen von ermordeten Brzosteker Juden erinnern mit Gedenktafeln an die Opfer. Am 14. Juni 2009 konnte der Friedhof vom Landesrabbiner von Polen, Michael Schudrich wieder geweiht werden.

Die ehemalige Synagoge in Brzostek. TAL

Die von der deutschen Besatzung zerstörte Synagoge wurde nach dem Krieg wieder aufgebaut und zwischenzeitlich als Schule genutzt. Jetzt steht das Gebäude in der ul. Żydowska 8 seit vielen Jahren leer.
In derselben Straße stehen noch Häuser, die in der Vorkriegszeit in jüdischem Besitz waren. Sie werden zumeist noch bewohnt.

Der Bewohner eines Hauses in der ul. Żydowska erzählt. TAL

red-