Adam Michnik ist langjähriger Herausgeber der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza und gleichzeitig eine der wenigen kritischen Stimmen, die in Polen noch hörbar sind. Nachdem staatliche TV- und Rundfunkmedien weitgehend mit PiS-treuen Leitungen und Journalisten ausgestattet wurden, die Zahl der unabhängig und kritisch berichtenden überregionaler Tageszeitungen weiter abnahm, übernimmt jetzt Orlen ein ganzes Paket an regional verbreiteter Zeitungen. Orlen, sonst als Raffinerie- und Tankstellenbetreiber in Polen und darüber hinaus bekannt, ist wahrscheinlich wegen der PiS-Nähe seiner Konzernleitung auch für den Vertrieb von Medien prädestiniert.
Michnik beschreibt im Tagesspiegel vom 1.März 2021, wie den verbleibenden, unabhängigen Zeitungen ihre Existenz weiter erschwert werden soll. So plant die PiS-Regierung jetzt ein Gesetz, mit dem die Werbeeinnahmen von Medien zusätzlich besteuert werden. Durch den dann drohenden Einnahmeverlust werden insbesondere unabhängige Medien gezwungen, Journalisten zu entlassen und umfangreichere Recherchen aufzugeben. Auf diesen weiteren Eingriff in die Pressefreiheit reagierten Zeitungen, Internet-Nachrichtenportale und private TV-und Radiosender, indem sie vor drei Wochen für einen Tag die Berichterstattung verweigerten. Ein ungewöhnlicher Vorgang.
Angeblich soll sich dieses Gesetz gegen amerikanische Medienkonzerne richten. Die so gewonnenen Einnahmen sollen wiederum den staatlichen Medien zugute kommen. Eine sehr zweifelhafte Begründung, weil solche Gesetze nur in Übereinstimmung mit der EU erlassen werden können und weil es Polen bis jetzt peinlich vermieden hat, amerikanischen Interessen zuwider zu handeln. Für Michnik ist dieses Gesetz für Polen nur ein weiterer Schritt zu einem autokratischen Regierungssystem. Der „Präses“ der Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) , Jaroslaw Kaczynski, hat sich für seine Strategie offenbar das politische Vorgehen von Viktor Orbán in Ungarn zum Vorbild genommen. So wie Orban beseitigt auch Kaczinski scheibchenweise tragende Elemente der polnischen Demokratie, angefangen von der Unabhängigkeit der staatlichen Medien, wichtiger Kultureinrichtungen und der Unabhängigkeit des obersten Gerichtes. Jetzt schreibt die Regierung auch die Geschichte um und gibt Schulbücher mit einer eingeengten Weltsicht heraus. Gesellschaftliche Errungenschaften wie ein zeitgemäßes Abtreibungsrecht werden zurückgenommen, öffentliche Proteste der Betroffenen dagegen kriminalisiert. Parallel dazu verschlechtert sich die medizinische Versorgung in den staatlichen Gesundheitseinrichtungen. Wiederholte und massive Proteste der dort Beschäftigten bleiben ungehört.
Polen entfernt sich unter der augenblicklichen PiS-Regierung weiter von der Rechtsstaatlichkeit und vom Staatsverständnis der EU. Bedauerlicherweise ist keine politische Kraft derzeit erkennbar, die Jaroslaw Kaczynski und seiner PiS gefährlich werden könnte.
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