Freiheit der Forschung gefährdet.

Prof. Jan Grabowski.
Fotograf Adrian Grycuk – Eigenes Werk. Unter CC BY-SA 3.0 pl.

Im Tagesspiegel vom 9.Juli 2021 nehmen noch einmal die Historiker Jan Grabowski, Professor for History/ Universität of Ottawa, und Ingo Loose , Wissenschaftlicher Mitarbeiter/ Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, zu einem Prozess vor dem Bezirksgericht Warschau Stellung. Sie zeichnen hier die Vorgeschichte dieses Prozesses nach.
Nach Veröffentlichung des Buches Nacht ohne Ende / Dalej jest noc (Autoren Barbara Engelking, Jan Grabowski) hatte in Polen eine heftige Diskussion um umstrittene Kollaboration von Polen bei der Judenverfolgung unter der deutschen Besatzung begonnen. In diesem Zusammenhang hatte die Nichte eines lange verstorbenen Dorfvorstehers mit praktischer Unterstützung der PiS wegen Verleumdung ihres Onkels eine Klage eingereicht.
Nach der Entscheidung des Gerichtes im Februar 2021 hätten sich die Autoren schuldig gemacht, indem . . . „sie Polen für den Holocaust verantwortlich machten, für den Mord an Juden während des Zweiten Weltkrieges und für die Aneignung ihres Eigentums“. Mit ihrer Veröffentlichung hätten sie . . „den Bereich des nationalen Erbes berührt und so möglicherweise die Gefühle eines einzelnen und seine nationale Ehre so beeinflusst, dass es die faktenbasierte Überzeugung zerstörte, dass Polen ein Opfer der von Deutschland begonnenen und durchgeführten Kriegshandlungen sei“.
Zusammengefasst lehnte das Gericht im Sinne der regierenden Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) ab, dass sich Polen neben seiner Opferrolle im Zweiten Weltkrieg ebenfalls in verschiedenen Fällen der Kollaboration bei der Verfolgung jüdischer Polen schuldig gemacht hat. Damit wird die Infragestellung der nationalen Unschuld gerichtlich untersagt und weitere ernstzunehmende wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema unmöglich.
Aus eigener Beobachtung können wir dazu beisteuern, dass eine uns bekannte polnische Historikerin, die in ihrer Dissertation zu ähnlichen Feststellungen wie Engelking und Grabowski kommt, ihre Forschungsergebnisse unter diesen Bedingungen nicht in Polen veröffentlicht.
Damit ist die Freiheit der historischen Forschung in Polen infrage gestellt.
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