Zentralrat vs. Homolka

Das Abraham Geiger Kolleg am Neuen Palais in Potsdam. TAL

Nachdem im Mai 2022 ein bemerkenswerter Festakt zum 150jährigen Bestehen der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums stattgefunden hatte, wurden wenige Tage später Vorwürfe gegen das Abraham-Geiger-Kolleg in der Zeitung Die Welt laut. Ein Mitarbeiter des Kollegs wurde von seinen Aufgaben entbunden, der Rektor des Kollegs, Prof. Walter Homolka, ließ seine vielfältigen Ämter ruhen.

Wegen der umfangreichen unterschiedlichen Vorwürfe, unter anderem dem des Machtmissbrauchs, entschloss sich der Zentralrat der Juden, eine unabhängige Untersuchung in Auftrag zu geben. Die Kölner Rechtsanwaltskanzlei Wollschläger übernahm das Mandat. Diese Kanzlei war unter anderem durch die Untersuchung zu Kardinal Woelki bekannt geworden. In die Untersuchung miteinbezogen wurden neben dem Abraham Geiger Kolleg, die Leo Baeck Stiftung, das Zacharias Frankel Kolleg, das Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk, die Union Progressiver Juden und die Allgemeinen Rabbiner Konferenz. Alle Institutionen hatten sich zu einer Teilnahme an der Untersuchung bereiterklärt.

Der Deutschlandfunk berichtete jetzt, dass ein vorläufiges Untersuchungsergebnis der Kanzlei Wollschläger vorläge und den Vorwurf des Machtmissbrauches gegen Prof. Homolka bestätige.

Da der Rechtsbeistand von Prof. Homolka seine Einwendungen gegen die Untersuchung erst verspätet eingereicht hatte, verzögert sich der Abschluss der Untersuchung weiter. Das war für den Zentralrat der Grund dafür, einen Zwischenbericht zur Untersuchung zu veröffentlichen. So sollte der zunehmende Druck, der auf den Geschädigten in Zusammenhang mit den bekanntgewordenen Vorgängen lastete, genommen werden. Schon dieser Zwischenbericht bestätigt den Vorwurf des Machtmissbrauchs gegen Prof. Homolka. In der endgültigen Fassung des Gutachtens sollen dafür etliche konkrete Beispiele angeführt werden.

Aus der räumlichen Distanz der deutschsprachigen Schweiz kommentiert Richard C. Schneider in der jüdischen Wochenschrift Tachles das Geschehen deutlich pointierter als seine Kolleg*innen in Deutschland.
Er stellt die Frage, wie es Homolka gelingen konnte, eine nahezu unglaubliche Ämterhäufung auf seine Person zu versammeln und so ein jahrelang funktionierendes Machtnetz zu entwickeln – und spitzt es letztendlich auf die Frage „cui bono?“ zu. Nach seiner Einschätzung wird Homolka seine vielen Ämter abgeben müssen, zu aller erst das der Leitung des Abraham Geiger Kolleg. Wieweit er dann weiterhin die Position eines Professors für Jüdische Religionsphilosophie und die des Geschäftsführenden Direktors der School of Jewish Theology der Universität Potsdam wahrnehmen kann, müssen das Land Brandenburg und die Institutionen der Universität Potsdam entscheiden.
Homolka versteht die Vorwürfe des Zentralrats gegenüber seiner Person als Versuch «konservativer» Kreise, gegen das liberale Judentum vorzugehen, und kündigt weitere rechtliche Schritte an.
Eines ist sicher, die Causa Homolka wird zu einem noch nicht absehbaren Schaden für das liberale Judentum in Deutschland führen und wird die damit befassten Institutionen noch lange beschäftigen. Diese sind jetzt vor allem aufgerufen, umfangreiche und wirklich wirksame Instrumente zu schaffen, die die Wiederholung eines solchen Falles verhindern.

Leo Baeck Haus, Sitz des Zentralrates der Juden in Deutschland. TAL

Am 23. Dezember 2022 äußerte sich Gabriel Heim ebenfalls in Tachles zu der Causa Homolka und schilderte dazu dessen Lebenslauf:
«1964 in Niederbayern als Sohn einer katholischen Familie zur Welt gekommen, konvertierte er mit 17 Jahren zum Judentum. Nach Studien in München und London graduierte er 1986 zum Bachelor theologiae seu divinitatis und wurde 1992 am King’s College London mit der Arbeit «Rabbiner Leo Baeck und der deutsche Protestantismus» promoviert.
Nach beruflichen Stationen in den Teppichetagen der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank, dem Medienkonzern Bertelsmann, der Alfred-Herrhausen-Gesellschaft für internationalen Dialog und der Kultur-Stiftung der Deutschen Bank, die ihm Zugang zu Gönnern, Stiftern und Unterstützern verschafften, gründete Walter Homolka 1999 in Potsdam das erste Rabbinerseminar Deutschlands seit der Schoah, das er in Anlehnung an den bedeutendsten Wegbereiter des Reform-Judentums nach Abraham Geiger benannte.
Das Abraham-Geiger-Kolleg (AGK) gestaltete er als Kapitalgesellschaft, an der er als Gründungsrektor bis vor Kurzem 90 Prozent der Geschäftsanteile hielt. Finanziert wird das AGK aus Mitteln der Bundesrepublik Deutschland, der Kultusministerkonferenz aller deutschen Bundesländer, des Zentralrats der Juden in Deutschland, des Landes Brandenburg und der Leo Baeck Foundation.
Seit 2001 ist das AGK auch Mitglied der World Union for Progressive Judaism. Die zu Rabbinern ordinierten Absolventen sind seit 2005 durch die Central Conference of American Rabbis anerkannt. Alle zwei Jahre verleiht der bestens vernetzte Rabbiner eine Auszeichnung für „Verdienste um das Judentum in seiner Vielfalt“. Zu den durch ihn geehrten zählen Persönlichkeiten wie Alfred Grosser, Hans Küng, Angela Merkl, Amos Oz.»

Heim beschreibt weiter, wie die von Homolka 2005 gegründete Leo Baeck Foundation nicht nur Mittel für das Abraham Geiger Kolleg sondern auch für das Zacharias-Frankel-College (Geschäftsführer: Walter Homolka) für konservative/Masorti Rabbiner*innen beschafft und ebenfalls die School of Jewish Theology (Vizedirektor: Walter Homolka) wie auch das Ernst-Ludwig-Ehrlich Studienwerk (langjähriger Vorstandsvorsitzender: Walter Homolka) initiiert hat.
Abschließend stellt Heim fest. . . .«Man hatte Angst, es sich mit Homolka zu verscherzen», und: «Wer ein Stipendium des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks bekommen hatte, hatte Angst, das Stipendium zu verlieren», wer im Abraham Geiger Kolleg gewesen sei, habe Angst gehabt, dort herauszufliegen, und: «Wer später einen Job haben wollte, musste Angst haben, dass Homolka über die Union progressiver Juden Einfluss nimmt und jemanden nicht einstellen lässt.»
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