Wer heute Abend die Buchvorstellung von ” Eugen Wolbe, Lehrer und Privatgelehrter “ im Meerbaumhaus besucht hat, konnte nach Einführung durch Gisela Poser ( Gleis 69 e.V.) den Autor Itai Böing im Gespräch mit der liberalen Rabbinerin Dr. Ulrike Offenberg verfolgen.
In dem lebhaften Zwigespräch wurde der Lebenslauf und die Persönlichkeit Wolbes schnell sichtbar: Die familiär bedingt schwierige Schullaufbahn, Abitur mit 24 Jahren, das nach dem Tod des Vaters hart erarbeitete Studium, Familiengründung mit vierzig Jahren. Dabei kaisertreu bis in die Schnurbartspitzen – und neben dem Lehrerberuf noch wissenschaftliche Interessen und die professionell betriebene Leidenschaft des Autographensammelns. Seine Anleitungen zu dieser Profession gelten heute noch als Standardwerke.
Die Verbindung zwischen Wolbe und dem Autor wird schnell verständlich, wenn Böing in der oft ins Persönliche gehende Darstellung schildert, wie sie beide nacheinander an derselben Schule unterrichtet haben. Hieß diese Schule erst Fichte-Schule, wechselte der Name zu Moses-Mendelssohn und lautet jetzt Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule. Böing beschrieb ebenfalls die Schwierigkeiten der Recherche in Berlin und in Jerusalem, wo er Wolbes Sohn, einen berühmten Rabbiner, besuchte. Böing beschäftigte sich auch intensiv mit den von Wolbe herausgegebenen und mit den von ihm geschriebenen Büchern. Dabei stehen die Themen häufig mit dem Judentum in Verbindung. So berühren sie auch die Interessen Böings, der sich schon als Jugendlicher mit dem Phänomen des Antisemitismus auseinandersetzte. Nach dieser Schilderung von Wolbes Lebenslauf wurde nur allzu deutlich, welch massiven Umbruch Hitlers Machtergreifung und das bald folgende Berufsverbot für ihn als Juden bedeutet haben muss. Die Frage, wie er den Lebensunterhalt seiner Familie nach der Entlassung bestreiten konnte, blieb unbeantwortet.
Die konzentrierten Zuhörer und die lebhafte Beteiligung an der nachfolgenden Diskussion zeigten das große Interesse an Wolbes Schicksal und an dem geschichtlichen Umfeld. Itai Böing und Ulrike Offenberg war es dabei gelungen, dieses Thema empathisch und farbig zu vermitteln. Herzlichen Dank dafür.
Da diese Buchvorstellung in den Räumen der aktuellen Ausstellung zu jüdischen Künstlerinnen und Künstlern in Tiergarten stattfand, ergab sich für etliche BesucherInnen der gut besuchten Veranstaltung die Gelegenheit, auch noch weitere Anregungen aufzunehmen.
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Eugen Wolbe und sein ebenfalls entlassener jüdischer Kollege an der damaligen Fichte-Schule, Moritz Arndt, wohnten beide in Moabit. Wolbe in der Dortmunder Str. 11, seine Frau nach Wolbes Tod 1938 dann in der Jagowstr. 1. – Moritz Arndt und seine Familie in der Essener Str. 11.
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