Historisierende Replik oder zeitgemäße Architektursprache?

Vor dieser Frage stehen Stadtgesellschaften und auch Jüdische Gemeinden, wenn es um Neubauten oder Nachfolgebauten von durch Krieg oder NS-Gewalt zerstörter Gebäude geht. Beispiele aus den vergangenen Jahrzehnten zeigen, dass diese Entscheidungen in Deutschland durchweg zugunsten der zeitgemäßen Architektur getroffen wurden, die damit auch das veränderte Selbstbild der jüdischen Gemeinden widerspiegelte.

Jüdisches Gemeindehaus Fasanenstraße, Berlin. Fotograf Peter Kuley. Unter CC BY-SA 3.0.

Den Anfang machte das Berliner Gemeindehaus in der Fasanenstraße. Am Ort der ehemaligen Synagoge entstand ein freundlicher Zweckbau mit Bibliothek, Restaurant, Sitzungs- und Büroräumen und einem großen Gemeindesaal.

Die Architektur des Gemeindehauses stand damit im Gegensatz zu den das Stadtbild bestimmenden Synagogenbauten der ausgehenden Kaiserzeit. Diese standen für den Anspruch des jüdischen Bürgertums, Teil einer nationalbewussten deutschen Gesellschaft zu sein. Beispiele dafür sind die Synagogenbauten in der Levetzowstraße und am Fraenkelufer. Mit ihrer dem Klassischen Altertum entliehenen Formensprache hoben sie sich deutlich von den früheren Synagogenbauten ab.


Ob es sich wie in Dresden, Mainz, Ulm oder Dessau um Neubauten an Orten ehemaliger, zerstörter Synagogen handelt

Neue Synagoge Dresden. Fotograf Christoph Münch. Unter CC BY-SA 3.0.
Neue Synagoge Mainz. Fotograf Moguntiner. Unter CC BY-SA 3.0.

oder an anderen Orten der Innenstädte wie in Konstanz, Speyer, Chemnitz oder Hamburg – immer kamen Entwürfe moderner Architektur zur Ausführung. Auch der jüngste Entwurf der Synagoge in Koblenz von Wandel Lorch Goetze Wach reiht sich da ein.

Häufig fanden dazu umfangreiche Diskussionen in den Gemeinden aber auch in der Gesamtgesellschaft statt, die manchmal wie in Potsdam lang und mühsam gewesen sind. Und immer waren die Bauten auch eine aktuelle Botschaft der sich wandelnden jüdischen Gemeinden an die Gesellschaft.

In den letzten Jahren ist nun aber eine Veränderung eingetreten. Nachdem in Hamburg die moderne Synagoge An der hohen Weide und ein Gedenkort für die Bornplatz-Synagoge am Joseph-Carlebach-Platz entstanden waren, tauchten jetzt unverhofft Wiederaufbaupläne für die historische Bornplatz-Synagoge auf. Sie fanden u.a. Unterstützung im politischen Raum und beim Landesrabbiner. Aber es gab auch heftigen Widerspruch u.a. bei israelischen Juden und Jüdinnen.

Jetzt gibt es in Berlin eine ähnliche Entwicklung. Durch zahlreichen Zuzug aus europäischen und außereuropäischen Ländern haben sich verschiedene Synagogengemeinschaften entwickelt bzw. vergrößert. So ist in der orthodoxen Gemeinde der Synagoge am Fraenkelufer der Wunsch nach einem Neubau entstanden. Dieser Neubau soll die in der Reichpogromnacht 1938 zerstörte Hauptsynagoge zum Vorbild haben. Das Projekt findet Unterstützung im politischen Raum. Aber auch, nachdem jetzt die Pläne vorliegen, ersten Widerspruch. So fordern Kritiker eine breitere Diskussion in der Stadtgesellschaft und einen Architekturwettbewerb.

Bei diesem Projekt sollte man von vornherein gegenwärtig sein, dass sich geschichtliche Traumata nicht durch historisierende Repliken heilen lassen. Das Berliner Schloss als jüngste Replik bietet dafür ein warnendes Beispiel.
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