Gespräch am Gleis 69

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Westlicher Teil des ehemaligen Gleis 69 am Güterbahnhof Moabit. September 2018. TAL

Für den Spaziergang mit einem alten Reichsbahner, Jahrgang 41, war das feuchte Wetter nicht gerade ideal. Aber die Verabredung zu diesem Treffen bestand jetzt schon seit dem letzten Sommer, als er uns in einem längeren Brief seinen Werdegang bei der Deutschen Reichsbahn geschildert hatte.
Inzwischen war er aus eigenem Interesse schon im Sommer am Gleis 69 gewesen. Unterwegs hatte er sich noch einmal nach der genauen Lokalisation des Gedenkortes erkundigt, aber keine hilfreiche Auskunft dazu erhalten können. Dafür wurde ihm dann aber auf die Frage nach “Lidl” sofort der Weg erklärt.
Anhand der alten Bahnhofspläne und gemeinsamer Erinnerungen aus den fünfziger und sechziger Jahren ließen sich die ursprünglichen Örtlichkeiten wieder nachvollziehen. Den Reichsbahnern war damals die Funktion des Güterbahnhof Moabit bei den Deportationen wohlbekannt. Von seiner Dienststelle an der Einfahrt Waldstraße ist er auf dem Weg zu Fuß zum Hamburg und Lehrter Güterbahnhof regelmäßig
auch an den Militärgleisen vorbeigekommen, ohne ihnen aber eine besondere Bedeutung beizumessen. Damals muss es hier auch noch Kleingärten gegeben haben. Die markante Unterführung an den Ring-Gütergleisen war ihm ebenfalls geläufig.
Als wir dann die Deportationsrampe in ihrer ganzen Länge abliefen, war er doch über ihren noch vorhandenen Umfang erstaunt. Er war sich sicher, dass diese Rampe, einmal in ihrer Kontinuität wiederhergestellt, für Besucher eine gute Vorstellung der damaligen Verhältnisse ergäbe.
Er selbst hat sich sein ganzes Leben für Geschichte, auch die jüngere, interessiert und dabei regelmäßig auch Gedenkorte besucht. Zuletzt das Konzentrationslager Auschwitz, über das er aber keinen Eintrag in sein Reisetagebuch zustande brachte. Er sei dort einfach still geworden.
Bei der Schilderung der langen und verschlungenen Geschichte des Gedenkortes schüttelte er nur den Kopf.
Für unser weiteres Vorhaben wünschte er uns Durchhaltevermögen- und bot uns auch seine Hilfe – wenn möglich – an. Über das Buch “Mahnort Güterbahnhof Moabit” hat er sich sehr gefreut. Er kannte es noch nicht, aber der Verfasser war ihm vertraut.
TOL-