Ein alter Reichsbahner berichtet

Güterbahnhof Moabit 1992 Quelle: Roehrensee unter creative-commens

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Im Zusammenhang mit unseren Bemühungen um die bedrohte Deportationsrampe am Gleis 69 erreichte uns auch die Zuschrift eines ehemaligen Reichsbahners, Jahrgang 1941. Er hat in den fünfziger Jahren bei der DR Lokomotivschlosser gelernt und in Tempelhof und im S-Bahnbetriebswerk Wannsee gearbeitet. Später hat er sich zum Dipl.-Wirtschaftsingenieur weitergebildet und ist schließlich 1962 zur Bahnpolizei der Reichsbahndirektion Berlin gewechselt. Zuletzt war er bis Ende 1990 Leiter der Wache Berlin-Moabit, die auch für den Güterbahnhof Moabit und den Großkontainer-Umschlagplatz Hamburg-Lehrter-Güterbahnhof zuständig war. Bis zu seiner Berentung arbeitete er schließlich als Abteilungsleiter für Einkauf und Materialwirtschaft in der Unterhaltungsdienststelle für Maschinentechnik in Tempelhof und Grunewald.
Interessant sind seine Erinnerungen an den Güterbahnhof Moabit. Unter Reichsbahnern war bekannt, dass von den ehemaligen Militärgleisen aus Deportationen stattgefunden hatten. Ihm sind aber keine Pläne der DR für einen Gedenkort dort bekannt geworden. Für das spätere Denkmal auf der Putlitzbrücke hätte er sich eine andere Form der Darstellung gewünscht.
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Denk-Mal Güterwagen vor dem Schulgebäude in Hamburg-Winterhude. Foto: NordNordWest, unter CC BY-SA 3.0 de

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Bereits 1984 oder 1985 machte er den Vorschlag, am Eingang zur Güterabfertigung in Moabit einen sog. G-Wagen, wie ihn die DR auch für die Deportationen eingesetzt hatte, aufzustellen. Das notwendige kurze Gleis hätten die Lehrlinge der Bahnmeisterei verlegen können. Für Besucher hätte eine Treppe den Zugang zu dem Güterwagen ermöglicht, Tafeln im Inneren hätten über die Verbrechen der Nazis informiert. Sicherheitsbedenken konnte er mit dem Hinweis ausräumen, dass sich sein Dienstzimmer nur 20 Meter vom geplanten Ausstellungsort befand. Trotzdem konnte er mit seinen Plänen bei der Politischen Abteilung der Reichsbahndirektion nicht durchdringen.

Mit dem Denkmal auf der Putlitzbrücke bekam er es später auch zu tun. Immer wieder fanden seine Mitarbeiter Kränze und Blumengebinde auf den darunterliegenden Gleisen, offensichtlich beschädigt oder zerstört. Wenn er die Informationen an die Meldestelle der Bahnpolizei am Nordbahnhof weitergab, wurde er mit der Feststellung beschieden, dass es sich dabei um kein meldepflichtiges Vorkommnis handele.
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Denkmal Putlitzbrücke. TAL
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Er erinnerte sich noch gut daran, dass Eisenbahner in Berlin (West) an Gedenktagen die Tafel am Bahnhof Grunewald aufgesucht haben, die an die Deportationen von dort aus erinnerte. Lange bevor es den Gedenkort Gleis 17 gab.
Er bedauert heute noch, dass er sich mit seinem Vorschlag, einen „G-Wagen“ auf dem Güterbahnhof Moabit aufzustellen, nicht durchsetzen konnte. Gleichzeitig bezweifelt er, ob dieser Wagen dann bei dem Wechsel zur Deutschen Bahn dort stehen geblieben wäre.
Nach den heutigen Erfahrungen ein berechtigter Zweifel.
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