Ein Blick zurück auf die NS-Kunst

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Tagungsankündigung zum 15.11.2021. TAL

Im Augenblick zeigt das Deutsche Historische Museum Berlin zwei sehenswerte Ausstellungen zur kunsthistorischen Geschichte der Bundesrepublik. „Die Liste der Gottbegnadeten – Künstler des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik“ und „documenta – Politik und Kunst“.
In diesem Zusammenhang fand am 15. November 2021 eine begleitende Tagung im DHM statt. Die einleitenden Referate dazu hielten Frau Dr. Dublon-Knebel mit „Die gespaltene Wahrnehmung: NS-Künstler zwischen Tel Aviv und Berlin“ und Prof. Rathkolb mit „Gottbegnadet – Blacklisted – Superstar: Der lange Schatten des Nationalsozialismus in der Kunst“.

Frau Dr.Dublon-Knebel 15.11.2021. TAL

Dabei beschrieb Frau Dublon-Knebel, wie der Nationalsozialismus die Kunst als Waffe eingesetzt hat. Die Volksseele wurde in ihr widergespiegelt. Die Künstler wurden in der Volksgemeinschaft gleichgeschaltet, die Kunst klar für das politische Ziel eingesetzt und dafür in einer dem Volk genehmen Form präsentiert. Zwischen dem Regime und den Künstlern entstand eine Dynamik, die zu einer Auswahl der Angepassten und Kompromissbereiten führte. Als Belohnung winkten dafür öffentliche Anerkennung und wirtschaftlicher Erfolg. Frau Dublon-Knebel hatte 1994 für ihre Dissertation 20 Lebensläufe von betreffenden Künstlern identifiziert und ihre Entwicklung vor, während und nach dem Dritten Reich verfolgt. Alle hatten beispielsweise an der Großen Deutschen Kunstausstellung 1937-1944 teilgenommen. So führte sie u.a. Conrad Hommel, Ferdinand Staeger, Richard Heymann und Adolf Wiessel mit Beispielen an.

Conrad Hommel, Werke vor, im und nach dem Dritten Reich. Vortrag Dublon-Knebel 15.11.21. TAL
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Ferdinand Staeger, Werke vor, im und nach dem Dritten Reich. Vortrag Dublon-Knebel 15.11.21. TAL
Werke von Richard Heymann im Dritten Reich und danach. Vortrag Dublon-Knebel 15.11.21. TAL
Werke von Adolf Wiessel. Vortrag Dublon-Knebel 15.11.21. TAL


Nach 1945 wurden die im Dritten Reich entstandenen Werke aus der kulturellen Erinnerung praktisch ausgeblendet. Für diese Leerstelle dienten die Werke der im Dritten Reich verfemten oder ins Exil gegangenen Künstler stattdessen als Ersatz. Dieser Vorgang erfolgte im stillschweigenden, allgemeinen Einverständnis und wurde nicht diskutiert..
Die in der NS-Zeit erfolgreichen Künstler konnten dagegen überwiegend ihre künstlerische Karriere fortsetzen. Wenn nicht an Universitäten, Akademien oder in Galerien, so doch durch Aufträge aus der Wirtschaft, Kommunen, von anderen Institutionen und Mäzenen. Auch bei Wettbewerben waren sie immer wieder erfolgreich. Befremden musste das, wenn es sich um das Gedenken an Opfer des Krieges oder der NS-Gewaltherrschaft handelte. Dabei kamen ihnen zugute, dass sich in den Juries auch der allgemeine, in der NS-Zeit geprägte Kunstgeschmack bemerkbar machte. Deren Entscheidungen wurden selten in überregionalen Medien oder Fachzeitschriften diskutiert, allenfalls in der Regionalpresse. Bei privaten Kunden war auch eher eine „realistische Darstellung“ gefragt als eine der künstlerische Zeitströmung entsprechende.
Eine gern geäußerte Erklärung des Künstlers (Adolf Wiessel) lautete“. . . . Hitler mochte meine Kunst eben . . . darunter leide ich heute noch“.

Rede von Kurator Wolfgang Brauneis, die er bei der Eröffnung der Ausstellung „Die Liste der „Gottbegnadeten“. Künstler des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik“ am 26. August 2021 hielt.

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Herr Prof. Rathkolb. 15.11.2021. TAL

Herr Rathkolb ging der Frage nach, wie es zu den verschiedenen Listen gekommen war, die die darauf verzeichneten Künstler vor dem Kriegseinsatz bewahrten. Angefangen von der sogenannten Führerliste bei Kriegsbeginn. Parallel dazu wurden aber auch Listen im Reichssicherheitshauptamt angefertigt, die missliebige Künstler in den künftig zu besetzenden Ländern benannten.

Bildmaterial aus dem Vortrag von Prof. Rathkolb. 15.11.2021. TAL


Mit dem Begriff „Gottbegnadete“ wurde der geschützte Personenkreis zusätzlich religiös aufgeladen. Denn für die Propaganda nach innen und außen war es wichtig, dass der Kulturbetrieb im Reich seinen Stellenwert behielt und soweit wie möglich aufrecht erhalten blieb. Erst im letzten Kriegsjahr wurde dieser Bereich vermehrt „ausgekämmt“, um auch diese Personalreserven für den Krieg zu nutzen und zu zeigen, dass es keine Bevorzugung in der Volksgemeinschaft gab. Damit blieben nur noch wenige hundert Personen als „wirklich Begnadete“ vom Kriegsdienst befreit. Zum Kriegsende hin lassen sich im Umgang mit den Listen dagegen häufig willkürliche Veränderungen feststellen.
Gleichzeitig entstanden bei den Alliierten Listen, die die deutschen Künstler je nach Regimenähe einer Black-, Grey- oder White-Gruppe zuordneten. Dabei waren häufig deutsche Emigranten als Fachleute beteiligt. Bei den britischen und US-amerikanischen Geheimdiensten waren zum Schluss ca. 20 000 Personen in Datenbanken erfasst. Von den Künstlern der White-Gruppe und einem Teil der Grey-Gruppe erhoffte man sich nach Kriegsende eine Mitwirkung bei dem Aufbau einer NS-Ideologie freien Kunst. Bemerkenswert und nicht ganz verständlich ist, dass dabei kaum Architekten, Bildhauer und Maler erfasst worden sind.

In der folgenden Diskussion wurden auch Strukturen des Kunstbetrieb vor dem Dritten Reich angesprochen, die die Künstlerpersönlichkeiten besonders herausstellten und so ihre spätere Überhöhung anbahnten. Auch das Bild vom Künstler als Führer war schon vorhanden. So konnten eine Reihe von Künstlern – neben den überzeugten Nazis – nicht der Versuchung widerstehen, sich selbst zu ermächtigen und in Führerfunktion aufzutreten.

Bildmaterial aus dem Vortrag von Prof. Rathkolb. 15.11.2021. TAL

Dadurch, dass die NS-nahen Künstler im Allgemeinen eine gefällige Ästhetik vertraten, entsprach ihre Kunst häufig dem dem Konsumgeschmack des Publikums im Dritten Reich und auch später in der Bundesrepublik. In diesem Zusammenhang darf der Einfluss der Kunsthistoriker nicht unterschätzt werden.

Gesehen in der Ausstellung „Die Liste der „Gottbegnadeten“. Künstler des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik“:
Peter Ludwig betrachtet gemeinsam mit Arno Breker die Marmorbüsten des Ehepaars Ludwig, 1986. TAL

Im internationalen Kunsthandel spielte die NS-Kunst keine Rolle, dafür aber umso mehr der Handel mit der Raubkunst. Daran beteiligten sich sogar NS-Größen wie Baldur von Schirach. Er fuhr regelmäßig in die Niederlande, um dort günstig einzukaufen und die Kunstobjekte dann auf eigene Rechnung wieder weiterzuverkaufen.

Eine wichtige Veranstaltung, die die Aufmerksamkeit auf einen sonst wenig beleuchteten Aspekt des Dritten Reiches lenkte.
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