Deutsch-Polnische Literatur im Brecht-Haus

Der aktuelle Vorsitz Polens im Europarat ist Anlass für das Deutsch-Polnische Literaturforum UNRAST 2025. Veranstaltet wird es vom Adam-Mickiewicz-Institut aus Warschau und seinem Partner Berliner Literarische Aktion und kuratiert von Dorota Danielewicz.

Maxim Leo, Agnieszka Wierzcholska und Mikołaj Łoziński auf dem Podium. TAL

In diesem Zusammenhang fand am 20.02.2025 eine Podiumsdiskussion unter dem Thema „Erbe des Krieges“ statt. Dabei trafen sich Mikołaj Łoziński und Maxim Leo im Brecht-Haus. Die Moderation hatte Dr. Agnieszka Wierzcholska übernommen. Im Mittelpunkt standen die Bücher beider Autoren, in denen sie auf unterschiedliche Weise aus ihrer Familiengeschichte berichten.

Maxim Leo. TAL

Während die Familie Leo ursprünglich aus Polen stammend dann in Berlin ansässig ist und von dort durch die Nazis in alle Welt vertrieben wird, kehrt der Großvater des Autors aus dem Untergrund der Resistance in die spätere DDR zurück. Dort will er den Sozialismus aufbauen. Dieser Lebensentwurf prägt lange die ganze Familie, bis die politische Wende und die Begegnung mit den verschiedenen Familienmitgliedern, verstreut in aller Herren Länder, eine andere Sicht ermöglicht. Maxim Leo hat sein Buch um die Hochzeit seines jüngeren Bruders angeordnet, bei der die Verwandten, vielfach zum ersten Mal, persönlich aufeinander treffen und in der Folge die Bande wieder enger knüpfen.

Mikołaj Łoziński. TAL

Mikołaj Łoziński hat stattdessen eine andere Sicht auf seine Familie gewählt. Da er kaum über Unterlagen über ihre Geschichte verfügt, füllt er die Lücken mit Fiktionalem aus. Die Familie lebt in Tarnòw, einer kleinen Stadt im westlichen Galizien der zweiten polnischen Republik. Der Familienvorstand Nathan hat vergeblich versucht, geschäftlich in den USA Fuß zu fassen und hält jetzt nach seiner Rückkehr die Familie in Polen mit den verschiedensten Unternehmungen über Wasser. Dabei erlebt er immer wieder Fehlschläge, von denen er sich aber nicht entmutigen lässt. Im Hintergrund des Romans nehmen die Bedrohungen durch die antijüdische Stimmung in Polen und durch den heraufziehenden Zweiten Weltkrieg zu.
In realiter ist es der Familie Łoziński als eine der wenigen gelungen, dem Massaker in Tarnów unter der deutschen Besatzung zu entkommen. Sie kann über den San in die UdSSR fliehen und nach Kriegsende wieder nach Polen zurückkehren. Dort erlebt sie die polnische Variante des Sozialismus und 1956 wiederum antisemitische Ausgrenzung.

Lebhaftes Gespräch auf dem Podium. TAL

Nach dem Einstieg entsteht auf dem Podium ein lebhaftes Gespräch zwischen den Autoren und der Moderatorin. Es werden Gemeinsamkeiten entdeckt, die Großväter der Autoren haben beide in der Resistance gekämpft, alle drei haben in Frankreich studiert. . . je länger sie miteinander sprechen, umso mehr Überschneidungen entdecken sie, und umso fröhlicher wird die Stimmung.
Ein sehr vernüglicher Abend mit einem weiterhin aktuellen ernsten Hintergrund.

Zeitgleich berichtete die FAZ über das Buch von Mikołaj Łoziński.

Maxim Leo. Wo wir zu Hause sind. Die Geschichte meiner verschwundenen Familie. Kiepenheuer und Witsch.
Mikołaj Łoziński. Stramer, ein Familienroman Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall. Suhrkamp.

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