Reichspogromnacht – Tiergartener Schulen gedenken.

Dieses Jahr steht auch für Schülerinnen und Schüler der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule mit einem muslimischen Anteil von ca. 90 % dieser Gedenktag unter dem Eindruck des Krieges in Nahost. Ein Grund dafür, die Gedenkzeremonie am 11.11.2024 am ehemaligen Moabiter Güterbahnhof vorrangig von SchülerInnen der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule für ihre Schulgemeinschaft gestalten zu lassen.

Der Schulchor der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule. TAL

Nach der Begrüßung der Gäste durch die Chorleiterin begann der Chor mit einer musikalischen Darbietung. Die Bezirksbürgermeisterin von Mitte, Frau Remlinger, wandte sich dann an die SchülerInnen mit einem geschichtlichen Rückblick auf die Reichpogromnacht 1938 und die folgenden Geschehnisse. Sie leitete daraus für jede Gesellschaft die Gefahr ab, die sich aus Ausgrenzung und Diskriminierung von Minderheiten ergibt. Deshalb forderte sie dazu auf, wachsam zu sein und frühzeitig entsprechende gesellschaftliche Entwicklungen zu erkennen und ihnen vorzubeugen.

Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger am Gedenkort. TAL

Anschließend trugen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft „Erinnern“ unterschiedliche Texte vor. Diese Arbeitsgemeinschaft besteht seit 2015 an der Schule. Sie hat es ihren TeilnehmerInnen ermöglicht, sich durch unterschiedlichste Projekte und Reisen mit der jüngeren deutschen Geschichte und vor allem mit ihrer eigenen Herkunftsgeschichte auseinanderzusetzen. Auch der Gedenkort, der unmittelbar vor der Schule liegt, wird dabei miteinbezogen. Die Arbeit der AG hat bereits auf vielfältige Weise Anerkennung gefunden.

Die Arbeitsgemeinschaft Erinnern. TAL

Nach Gedichten und Darstellung von jüdischen Schicksalen, die mit diesem Ort verbunden sind, schilderte ein Schüler eindrücklich seine Auffassung von der Zeitgeschichte. Sie entsprach mit Sicherheit auch der vieler hier anwesender SchülerInnen. Er wies daraufhin, dass die Verantwortung und die Schuld für die Geschehnisse der NS-Zeit ausschließlich bei der deutschen Bevölkerung lägen. Ihre Familien, die später nach Deutschland eingewandert seien, insbesondere ihre Großelterngeneration, hätten am Holokaust keinen Anteil gehabt. Der die Verfolgung der Juden bestimmende Antisemitismus sei schon vorher in Deutschland präsent gewesen. Bei der Arbeit mit ihren eigenen Herkunftsgeschichten hätten sie festgestellt, dass es in ihren Familien ähnliche Erfahrungen der Ausgrenzung und Verfolgung gegeben hat. Mit diesem Wissen konnten sie dann auch eine eigene Position zu Rassismus und Antisemitismus beziehen.

Die Kantorin Esther Hirsch von der Sukkat Schalom Synagogengemeinde. TAL

Die Kantorin Esther Hirsch von der Sukkat Schalom Synagogengemeinde beschloss wie in den vorangegangenen Jahren die Gedenkzeremonie. Dabei trug sie den Psalm 27 und eine Sure aus dem Koran vor und endete mit dem Kaddisch am Gleis 69.
Wie in den Jahren davor war Gleis 69 e.V. bei der Organisation der Zeremonie beteiligt.

.

Am Mahnmal in der Levetzowstraße. ESI

Gleichzeitig fand am Mahnort für die ehemalige Synagoge und Sammellager in der Levetzowstraße eine weitere Gedenkzeremonie statt. Beide Orte sind durch die Erfahrung der Deportationen untrennbar miteinander verbunden. Dort hatte eine Klasse des Französischen Gymnasiums die Gestaltung übernommen. Gleis 69 e.V. war an der Vorbereitung beteiligt. Außerdem nahmen SchülerInnen der Miriam Makeba Grundschule in diesem Jahr wieder an der Zeremonie teil.

Bezirksstadtrat Carsten Spallek bei seiner Ansprache. ESI

Bezirksstadtrat Herr Spallek sprach anerkennend direkt die Schülerinnen und Schüler an, die sich hier mit den Ereignissen des 9.November 1938 in Deutschland auseinandersetzten. Er schilderte das Ausmaß der damaligen Gewalt und stellte fest, dass daraus die Verpflichtung entstünde, künftiger Gewalt und Ausgrenzung entgegenzutreten.

Schülerinnen und Schüler des Französischen Gymnasiums. ESI

Die SchülerInnen des FG beschrieben anschließend mit Zeitzeugnissen das rege Gemeindeleben in der Synagoge vor 1938 und die Umwandlung der Synagoge im Oktober 1941 in ein Sammellager für die Deportationen. Sabine Münstermann von der Hausgemeinschaft nebenan beschrieb die Entstehung und Gestaltung des Wandbildes am Nachbarhaus, das jetzt Teil des Mahnortes geworden ist. Zum Abschluss sangen die SchülerInnen das israelische Friedenslied Hevenu Shalom und der Kanon Shalom chaverim.
red-