Keramik aus Velten – eine Geschichte.

HAËL Keramik in einem Katalog. Gesehen in u.g. Ausstellung. TAL

Für die meisten Zeitgenossen ist Keramik aus Velten mit dem Namen Hedwig Bollhagens verbunden. Deshalb ist es zu begrüßen, dass das Bröhan-Museum in seiner Ausstellung HAËL. Margarete Heymann-Loebenstein und ihre Werkstätten für künstlerische Keramik 1923–1934 die ganze Geschichte erzählt.

Vor hundert Jahren hat Margarete Heymann-Loebenstein zusammen mit ihrem Mann und ihrem Schwager die Werkstätten für künstlerische Keramik in Marwitz bei Velten gegründet. Der Weg dorthin ist ihr nicht ganz einfach gemacht worden. Nach einer Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Köln und der Akademie für Bildende Kunst Düsseldorf wird sie 1921 in den Vorkurs im Bauhaus Weimar aufgenommen. Als sie sich aber für die Töpferwerkstatt bewirbt, erfährt sie erheblichen Widerstand vom Werkstattleiter Gerhard Marcks und Walter Gropius als Direktor. »…talentiert, aber ungeeignet für die Werkstatt … Entscheidung bis zur nächsten Sitzung vertagt« lautet der Eintrag in ihrer Akte. Mit dieser konservativen und patriarchalischen Einstellung konfrontiert verlässt MHL das Bauhaus und gründet zusammen mit den Brüdern Loebenstein 1923 die Werkstätten HAËL.

Hohes Engagement, Kreativität und künstlerische Fähigkeiten ermöglichen der jungen Firma zunehmende Erfolge. Bald beschäftigt sie fast hundert MitarbeiterInnen.

Aus den Geschäftspapieren von HAËL. Gesehen in der Ausstellung. TAL

Dann verunglücken 1928 die beiden Brüder bei einem Autounfall tödlich. MHL muss jetzt den Betrieb allein verantworten. Die Weltwirtschaftskrise macht sich auch hier bemerkbar, dann kommt die Machtergreifung der Nationalsozialisten und das NS-Regime. Sie wird als Jüdin denunziert, unter falscher Beschuldigung nach dem Unfalltod ihres Sohn verhaftet und mit weiteren Verhaftungen bedroht.
In dieser Situation verkauft sie die Werkstätten für einen Spottpreis an den NSDAP-Funktionär Dr. Heinrich Schild, Generalsekretär und Gleichschaltungsbeauftragter des Reichsstandes des deutschen Handwerks. Der wiederum ernennt Hedwig Bollhagen aus seinem Freundeskreis zur neuen Leiterin des Betriebes. Auch danach wird ihre expressionistisch geprägte Keramik als jüdisch und entartet diffamiert. Trotzdem produziert Bollhagen einen Teil der Serien weiter, bis weit nach dem Krieg.
MHL emigriert 1936 mit ihrem Sohn Michael nach Großbritannien, heiratet ein zweites Mal, nimmt einen anderen Namen an und gründet die »Greta Pottery«, ein Unternehmen, das das Kriegsende nicht überlebt. Es folgt ein Atelier für Keramik und schließlich fängt sie wieder an zu malen. An ihre Erfolge mit HAËL hat sie nicht mehr anknüpfen können.

Margaret Marks mit Beispielen ihrer Mosaik- und Töpferarbeiten, London 1977.
Jüdisches Museum Berlin. Gesehen in der Ausstellung. TAL

Sie hätte sich sicher über die großzügige und informative Ausstellung in der Charlottenburger Schlossstraße gefreut, da sie auch die Geschichte der Keramikwerkstätten in Marwitz in ein anderes Licht rückt.
Die Historikerin Ursula Hudson-Wiedenmann hat sich ebenfalls um eine genauere Darstellung von MHLs Lebens verdient gemacht. Bei Fembio finden sich neben einer ausführlichen Vita zahlreiche Hinweise über weitere Veröffentlichungen.
Die Ausstellung im Bröhan-Museum ist noch bis zum 29. Oktober zu besichtigen.
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