Halberstadt – Eberswalde – Berlin

Was verbindet Eberswalde mit Halberstadt, mag man fragen. Aber beim Besuch von Eberswalde, im Besonderen von Finow mit dem historischen Ortsteil Messingwerk beantwortet sich die Frage schnell von selbst.

Der Wasserturm des Messingwerkes in Finow/Eberswalde. TAL
Gedenktafel zur Firmengeschichte des Messingwerkes. TAL

Im unübersehbar hohen Wasserturm zeigt ein örtlicher Verein informative Ausstellung zu diesem historischen Industriestandort und zu der mit ihm verbundenen Familie Hirsch. Ihre Firma Aron Hirsch und Sohn geht auf den Firmengründer Aron Hirsch (1783-1842) zurück. Er begann Anfang des 19. Jahrhunderts in Halberstadt mit einer kleinen Metallhandlung, die schließlich von den nächsten Generationen zu einer Weltfirma im Bereich der Metallurgie entwickelt wurde. Sein Sohn Gustav (1822-1898) expandierte 1863 entscheidend mit der Übernahme des Messingwerks in Eberswalde.

Blick in eine der Werkshallen / Walzwerk. Foto in der Ausstellung gesehen. Fotograf unbekannt. TAL
Historisches Industriegebäude des Messingwerkes. TAL
Eines der bekannten Kupferhäuser auf dem ursprünglichen Werksgelände. Diese Häuser wurden mit aus Kupfer gefertigten Wand- und Dachelementen in wenigen Stunden aufgebaut und in die ganze Welt exportiert. TAL

Hier wurden bald in industriellen Größenordnungen Messing- und Kupferprodukte für Abnehmer in vielen Branchen und in der ganzen Welt hergestellt.

Das Wohnhaus von Gustav Hirsch auf dem Werksgelände. TAL
Ein Fries am Wohnhaus weist auf den Familiennamen Hirsch und mit der Abbildung der levitischen Kanne
auf die Abstammung der Familie hin. TAL

Gustav Hirsch verlegte seinen Wohnsitz ebenfalls zum Messingwerk nach Finow. Dabei prägte er als Anhänger des neo-orthodoxen Judentums auch das Leben in diesem Betrieb. Die Beachtung des Schabbat und der jüdischen Feiertage waren für ihn und die jüdische Belegschaft selbstverständlich. Die Küche bot koschere Speisen an.

Im Obergeschoss dieses Gebäude befand sich ein Betsaal für die Belegschaft. TAL

Auf dem Werkgelände befand sich ebenfalls ein Betsaal und eine Mikwe. Darüber hinaus sorgte Hirsch auch für seine Belegschaft, indem er Wohn- und Erholungsmöglichkeiten schuf und eigene Sozialleistungen einführte.

Erholungsheim für die Belegschaft in Altenhof. Foto in der Ausstellung gesehen. Fotograf unbekannt. TAL

Begegnete man ihm bei der Übernahme des Messingwerks anfangs noch mit Skepsis und Misstrauen, so verwandelte sich die Einstellung der Arbeiterschaft und der Bevölkerung bald in Anerkennung und Zuneigung. In der dritten Generation übernahm schließlich Gustavs Neffe Aron Hirsch (1858-1942) die Firmenleitung. Um den Anforderungen der inzwischen entstandenen Weltfirma gerecht zu werden, war er nach Berlin gezogen. Dort lebte ebenfalls seine Tante Henriette, die den bekannten Rabbiner Esriel Hildesheimer, auch aus Halberstadt, geheiratet hatte. Er betrieb tatkräftig als erster Rabbiner von Adass Jisroel den Aufbau dieser 1868 gegründeten neo-orthodoxen Gemeinde. Dabei wurde er von der Familie Hirsch regelmäßig finanziell unterstützt. Die Arbeit von Adass Jisroel haben wir in zwei Ausstellungen dargestellt.

Eine Aktie der Hirsch, Kupfer- und Messingwerke AG. Gesehen in der Ausstellung. TAL

1932 zog sich die Familie Hirsch im Zusammenhang mit der Berliner Bankenkrise aus der Firma zurück. Nach dem Tod Aron Hirschs 1942 beging seine Frau Mally angesichts der bevorstehenden Deportation nach Theresienstadt Suizid.
art-