Erst 1982 hat Bundeskanzler Helmut Schmidt für die Bundesregierung den Genozid an Sinti und Roma offiziell anerkannt. Solange wurde die Diskriminierung dieser Minderheit auch institutionell über das Jahr 1945 hinaus fortgesetzt. Neben dem Holokaust war das der zweite rassistisch begründete Völkermord des NS-Regimes mit ca. 500 000 Opfern. Daran erinnert jetzt Christoph David Piorkowski im Tagesspiegel vor dem offiziellen Gedenktag für die verfolgten Sinti und Roma am 2. August. Dabei bezieht er sich auf den Expertenbericht vom Juni 2021 der vom Bundestag eingesetzten „Unabhängigen Kommission Antiziganismus“.
Diese Kommission war ihrer Aufgabe seit 2019 anhand zahlreicher empirischer Studien nachgegangen. Die Ergebnisse finden sich auch in dem Forschungsband „Sinti und Roma. Der Nationalsozialistische Völkermord in historischer und gesellschaftspolitischer Perspektive“.
So stellten die Experten fest, dass der Rassismus gegen Sinti und Roma bis heute eine wenig beachtete und erforschte Tatsache sei. Erst 1996 habe sich die Geschichtsschreibung beginnend mit der Habilitationsarbeit von Michael Zimmermann über „Rassenutopie und Genozid. Die nationalsozialistische Lösung der Zigeunerfrage“ angefangen, mit dem Thema auseinanderzusetzen. Die Historikerin Karola Fings stellte jetzt fest, dass mit dem Stigma der vermeintlichen Asozialität während des NS-Regimes eine zunehmende Entrechtung, Ausgrenzung aus dem Berufsleben, totale Erfassung, Deportation, Zwangssterilisation und schließlich Ermordung stattfand. Ausgrenzung und Erfassung setzten sich ungebrochen in der Bundesrepublik fort, sodass Sinti und Roma von dieser Zeit auch als „der Zweiten Verfolgung“ sprechen. Im Gegensatz dazu sei ihre sozioökonomische Situation in der Weimarer Republik ungleich besser gewesen.
Deshalb fordert die Kommission die Schaffung von Antiziganismusbeauftragten in Bund und Ländern, eine ständige Bund-Länder-Kommission und eine Partizipation der Sinti und Roma in Medien, Politik und Verwaltung.
Die Institution der Antisemitismusbeauftragten könnten dafür unter anderem ein Vorbild sein.
Ebenfalls fordern die Experten eine Aufarbeitung der sogenannten „Zweiten Verfolgung nach 1945“ durch eine von den Perspektiven der Sinti und Roma geprägten Wahrheitskommission und eine Form von „Wiedergutmachung“ an den Sinti und Roma.
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