Die Deportationsrampe in neuem Licht

Vom Gedenkort Güterbahnhof Moabit gibt es Neues zu berichten. Da jedem aufmerksamen Betrachter der Deportationsrampe am Gleis 69 auffallen mußte, daß dieser authentische Ort einer Restauration und Konservierung bedurfte, hat jetzt auf Veranlassung des Landesdenkmalamtes eine archäologische Bestandsaufnahme stattgefunden.

 

In einer gemeinsamen Veranstaltung mit Herrn Lucker / Restauration am Oberbaum, Herrn Rieffel /Landesdenkmalamt und Gleis 69 e.V. am 17. Oktober  2018  erfuhren LehrerInnen und andere interessierte Menschen von der Geschichte dieses Ortes im Dritten Reich und von dem langen Weg bis zur Realisierung des heutigen Gedenkortes. Grabungen entlang der stählernen Rampenwand Richtung Westen lassen in der entsprechenden Tiefe jeweils vor der Stahlwand eine Bodenschicht erkennen, die der ursprünglichen Trasse des Gleis 69 entspricht. Die Grabung an der Zufahrt zum Lidl-Parkplatz und eine weitere auf dem aufgeschütteten Gelände zwischen Lidl-Auffahrt und Gedenkort ergaben, dass sich dort die Stahlwand in der Tiefe und damit auch die Rampe fortsetzen.

 

 

Nach der Präsentation in der Theodor-Heuss_Gemeinschaftsschule entspann sich eine lebhafte Diskussion, in welcher Form mit diesem historisch belasteten Ort umzugehen ist und wie er uns heute nahegebracht werden kann. Wünschenswert ist auf jedenfall ein sorgsamer Umgang mit dem Originalmaterial. Das Alter und die Geschichte der Rampe müssen weiterhin sichtbar und der jetzige Zustand erhalten bleiben. Um diese Aufgabe zu benennen und in Angriff zu nehmen benötigt es jetzt einen politischen Willen. Gleis 69 e.V. ist entschlossen, den weiteren Gang aufmerksam zu beobachten und soweit möglich zu begleiten.
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Bei der Veranstaltung wurde eine Zusammenfassung der Geschichte des Güterbahnhof Moabit und des Gedenkortes vorgelegt. Ein ausführlicher Artikel erscheint demnächst im Gedenkstätten-Forum.

Geschichte des Güterbahnhofs Moabit und Realisierung des Gedenkortes

Zur Geschichte des Bahnhofs:
• 1871 eröffnet diente er als Übergabepunkt von der staatlichen Verbindungsbahn zum Güterverkehr der privaten Hamburger und Lehrter Bahn
• 1877 Anschluss an die staatliche Ringbahn
• 1889 Ausbau des Nordrings, dabei wurde der Personenbahnhof verlegt und umbenannt, er firmierte schließlich als Bahnhof Putlitzstraße (Vorort-Bahn und S-Bahn). Die Verbindung nach Moabit stellte bis 1912 ein langer Holzsteg her, erst dann wurde die Straßenbrücke gebaut.
• Gütergleise und Güterbahnhof wurden weiter ausgebaut. Die Anlagen zogen sich von westlich der Beusselbrücke bis östlich der Putlitzbrücke und endeten in den Militärgleisen 69 und 71, 81 und 82 mit den dazugehörigen Ladestraßen und Rampen.
• Diese Militärgleise sind auf Anforderung der Preußischen Armee nach 1900 gebaut worden.
So lagen in unmittelbarer Nähe das Preußische 1. Garde-Feldartillerie-Regiment, das Preußische 4. Garde-Regiment zu Fuß und in der Invalidenstraße die Garde-Ulanen.
• Das Militär legte Wert darauf, daß Truppen und Gerät ungestört vom übrigen Güterverkehr verladen werden konnten und die Züge dann umgehend abgefertigt wurden.

Deportationsbahnhof
• Diesen Umstand machte sich die Berliner Gestapo zunutze und führte zwischen Frühjahr 1942 und Januar 1944 die meisten Transporte von Moabit aus durch, ca. 30 000 Menschen sind von hier aus deportiert worden, die anderen vom Bahnhof Grunewald und vom Anhalter Bahnhof.
• 1942 wurden dazu die Menschen im Sammellager Synagoge Levetzowstraße konzentriert, später dann im Sammellager Altersheim Große Hamburger Straße.
• Von den Sammellagern mußten die Menschen überwiegend zu Fuß gehen, Alte und Kranke wurde mit Umzugswagen transportiert.

West-Berliner Situation
• Nach 1945 kam der Güterbahnhof als Teil der Reichsbahn unter DDR-Verwaltung. Durch Ausbau des Güter-Außenringes und nach dem Mauerbau wurde West-Berlin zusehends vom Eisenbahnverkehr abgehängt.
• In den achtziger Jahren erinnerte man sich in Berlin wieder an die Deportationen und schuf auf bezirkliche und Landesinitiative verschiedene Denkmäler. Das Mahnmal auf der Putlitzbrücke ersparte dem Senat langwierige Verhandlungen mit der DDR.

Nachwende-Situation
• Ab 1989 waren Planung und Neubau von Verkehrswegen angesagt,
so auch die der Eisenbahnanlagen in der Innenstadt. Es entstand das Eisenbahnkreuz mit dem Hauptbahnhof. In diesem Zusammenhang wurde auch der Güterbahnhof Moabit aufgegeben und eine Umgebungsstraße, die Ellen Epstein-Straße geplant.
• Gleichzeitig fand in Berlin eine Bezirksreform statt und dabei ging 2001 Tiergarten im Großbezirk Mitte auf. Das Tiergartener Bezirksamt wurde abgelöst und damit auch der engagierte Baustadtrat Porath. Er hatte sich bis zuletzt für den Erhalt der historischen Militärgleise mit ihrer Deportationsgeschichte eingesetzt.
• Die Deutsche Bahn hatte 1998 am Bahnhof Grunewald eine zentrale Gedenkstätte – Gleis 17 – errichten lassen und somit an die Rolle ihrer Vorgängerin, der Reichsbahn, bei der Deportation der Juden erinnert.
• Am Güterbahnhof Moabit aber stand für die Vivico, der Immobilientochter der Bundesbahn, die Vermarktung der freigewordenen Flächen im Vordergrund, obwohl man bereits 2000 vollständig über den historischen Stellenwert dieses Ortes informiert war.
• Die Landesregierung unterstützte diesen Kurs. Bestrebungen, dieses Gelände unter Denkmalschutz zu stellen, gingen so ins Leere.

Bemühungen um einen Gedenkort
• 2002 beschäftigt sich das neue Bezirksamt wieder mit dem Thema und stellt fest, daß ihm dazu keine Informationen vorliegen . Darauf erfolgt eine Anfrage beim Heimatmuseum und bei Moabiter Bürgern.
• 2005 Bebauungsplan für Baumarkt. Ein Lehrer der THG ( ?) informiert Prof. Nachama von den beginnenden Bauarbeiten im Bereich der Zuwegung und des Militärgleises 69.
Daraufhin wird eine Runder Tisch eingerichtet, der sich mit der Gestaltung eines Gedenkortes befassen soll.
• 2006 liegt dem BA Mitte schließlich ein Gutachten von Schulle, Dettmer und Gottwaldt vor,
das den Güterbahnhof Moabit als den größten Deportationsbahnhof Berlins beschreibt.
• 2007 wird am Ort provisorisch eine Stele zur Information aufgestellt. Der Runde Tisch endet wegen fehlender finanzieller Mittel ohne ein Ergebnis.
• 2010 erster Beschluss der BVV Mitte zu einem Gedenkort.
Die Angelegenheit bleibt zwischen Bezirk und Senatsverwaltung hängen, eine Finanzierung ist nicht absehbar.
• 2011 BVV erinnert BA an seinen Beschluss
• 2013 BVV kommt zu einem weiteren Beschluss zur Errichtung eines Mahnortes.
• Wiederholte Erinnerung durch Journalisten und von Bürgern, die den Bau eines Gedenkortes anmahnen.
• 2014 BA Mitte bemüht sich um Rückkauf des benötigten Grundstücks
• 2015 Alfred Gottwaldt stellt sein Buch „Mahnort Güterbahnhof Moabit“ in der Topographie des Terrors vor und beklagt den desolaten Zustand dieses Ortes.
• 2015 erhält der Bezirk die Zusage für Lottomittel, um den Gedenkort einzurichten, die Senatsverwaltung für Kultur übernimmt die Kosten für den Wettbewerb dazu.
• 2016 wird der Wettbewerb dazu durchgeführt, raumlaborberlin wird erster Preisträger mit dem Entwurf „Hain“
• 2016 wird auf Intervention von mehreren Seiten der Denkmalschutz für den Bereich Gedenkort und Deportationsrampe festgelegt.
• 2017 wird der Gedenkort realisiert und dabei ein Schulprojekt zusammen mit der THG durchgeführt.
• 2018 läßt das Landesdenkmalamt eine archäologische Bestandsaufnahme an der Deportationsrampe durchführen. Dabei sollen Vorschläge zu ihrer Erhaltung und möglichen Präsentation gemacht werden.
Die Grabungen belegen, dass unter den Aufschüttungen und der Auffahrt von Lidl die Rampe noch vorhanden ist.