Die Ausstellung über Albert Speer, derzeit in der Topographie des Terrors, ist ausgezeichnet und unbedingt ansehenswert.
Wenn man sie verläßt, stellt man sich zwingend die Frage, warum haben so viele den Mythos von Speer als dem guten Nazi übernommen und erst spät hinterfragt. Vor allem was hat den Verleger Jobst Siedler und den Autor Joachim Fest dazu veranlasst, diesen Mythos erst einmal zu schaffen? Waren es Fahrlässigkeit, eigene Überzeugung oder nur die Gier nach einem guten Geschäft. Umso dankbarer muss man denjenigen Historikerinnen und Historikern sein, die diesen Mythos durch akribische wissenschaftliche Arbeit als Lüge entlarvt haben. Und den Ausstellungsmachern, die diese Geschichte eindrucksvoll und überzeugend dargestellt haben.
Gegen die Förderer Speers steht Jean Amérys klares Votum 1975 „Ihre Bücher habe ich aus zureichenden und wohl sogar Ihnen verständlichen Gründen nicht gelesen. Ich werde sie auch nicht lesen“. Jean Améry war zwei Jahre Häftling, u.a. im KZ Mittelbau Dora.
Albert Speer, ein Mitglied der Führung im NS-Staat, Parteimitglied seit 1931.
Früh sorgt Speer für seine eigene öffentliche Wahrnehmung.
Mit seinem bürgerlich angepassten Auftreten, seiner vermeintlichen Kooperation und Reue überzeugte er im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess in der Rolle des gutgläubige und ahnungslosen Technokraten sogar Robert W. Kempner und später Simon Wiesenthal.
Die Umwandlung der für ihn beantragten Todesstrafe in eine zwanzigjährige Haftsstrafe verdankte Speer seinem geschickten Auftreten während des Prozesses. Fritz Sauckel, Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz damit auch der Fremdarbeiter gelang das nicht.
Nach 1945 betrieben vor allem die am NS-Verbrechen Beteiligten zur eigenen Entlastung eine Dämonisierung von Hitlers Person.
Dazu kamen Neugier der Öffentlichkeit an seiner Person und eine oberflächliche, auch parteiliche Deutung der Persönlichkeit.
Nach Speers Entlassung 1966 aus dem Spandauer Kriegsverbrechergefängnis wird von seinem Unterstützerkreis, interessierten Verlagen und Autoren weiter an der Lüge des „Guten Nazis“ gestrickt.
Auch von Elias Canetti und Carl Zuckmayer gibt es positive Beurteilungen.
Nach dem Eichmann-Prozess Jerusalem 1961, dem Auschwitz-Prozess Frankfurt 1963, später der Veröffentlichung von Daniel Goldhagens Buch „Hitlers willige Vollstrecker“ oder Götz Alys „Hitlers Volksstaat“ werden Ausmaß der Verbrechen, der Kreis der Beteiligten und der Nutznießer klar sichtbar. Gleichzeitig werden die Stimmen der Verfolgten und die von Bürgerinitiativen, die sich um Orte des NS-Verbrechen kümmern, hörbarer.
Dann kann die Historikerin Susanne Willems Speers Beteiligung an der Umsiedlung der Berliner Juden im Vorfeld ihrer späteren Deportation und am Ausbau des KZ Auschwitz beweisen.
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Albert Speer besucht 1944 das KZ Mauthausen.
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Der Historiker Matthias Schmidt deckt die Fälschung der Chronik der Speer-Dienststellen (1941 – 1944) auf. Speers Chronist Rudolf Wolters machte ihm aus Verärgerung über Speers späteres Verhalten die ursprüngliche Fassung zugänglich.
Speers Chronist Rudolf Wolters versucht Mattias Schmidt zu beschönigenden Korrekturen in seinem Text zu bewegen.
Nach Speers Entlassung erschienen von ihm eine ganze Reihe Bücher, in denen er seine Sichtweise seiner Rolle im Dritten Reich darstellte und damit erheblich schönte. Der Verleger Jobst Siedler und der Autor Joachim Fest waren ihm dabei behilflich.
Albert Speer 1943
Albert Speer 1945
Die Ausstellung in der Topographie des Terrors geht noch bis zum 25. September 2022.
Unbedingt empfehlenswert.
Im Tagesspiegel vom 27.Mai 2022 hat Christian Schröder die Ausstellung ebenfalls besprochen.
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2 Gedanken zu „Albert Speer – vor und nach 1945“
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