Am 15.12.19 setzt sich Max Fisher in der New York Times mit der Anordnung des Präsidenten gegen antisemitische und antisraelische Rede auf dem Campus amerikanischer Universitäten auseinander.
Damit stellt sich die Frage der Definitionshoheit, wer übt sie aus?
Haben Juden eine eigene Nationalität oder sind sie eine ethnisch definierte Minderheit. Damit stellt sich die grundsätzliche Frage der jüdischen Identität. Die Betonung von nationalen Identitäten sind zur Zeit unter populistisch agierenden Staatschefs sehr verbreitet und führen zurück in das späte 19. Jahrhundert / bzw beginnende 20. Jahrhundert. Damit gehen in Europa rechtsradikale Parteigründungen einher, in den USA die Entstehung eines weißen Nationalismus und in Indien eine Kampagne des Hindu-Nationalismus. Dabei geraten Minderheiten weltweit zu Gruppen von Bürgern zweiter Klasse und in die Gefahr, weiter unterdrückt zu werden. Mit der präsidentialen Anordnung erhalten Juden dagegen eine bevorzugte Stellung vor anderen demographischen Gruppen, etwas, das ablehnende Gefühle ihnen gegenüber weiter verstärken kann.
In dieser rückwärts orientierten Entwicklung können Politiker wie Viktor Orban wieder mit überholten Begriffen wie Blut und Boden argumentieren, um gegen Migration vorzugehen. Ähnliche Argumente sind von Präsident Trump zu hören.
Trumps Anordnung beruht im Übrigen auf einer unscharfen Definition von Antisemitismus, die antisemitische Hassreden mit Kritik an Israel gleichsetzt. So verwechselt Trump in seine Äußerungen auch immer wieder „jüdische Amerikaner“ und „israelische Staatsangehörigkeit“. Jüdische Gruppen reagieren empfindlich auf die Gleichsetzung der jüdischen Religion mit einer bestimmten Nationalitätszugehörigkeit. So hatten jüdische Sowjetbürger in ihren Pässen „Jüdisch“ als Nationalität eingetragen. Der europäische Antisemitismus betrachtete Juden unter diese Vorgabe als „Fremde“.
Der allgemeine Wunsch nach einer einheitlichen Nation im 19. Jahrhundert erklärt den Wunsch nach einer gemeinsamen „Heimstatt“ für die in der ganzen Welt verstreut lebenden Juden. So entstand die zionistische Bewegung, die sich auf Judäa, als das in der Bibel verheissene Land berief. Nach dem II. Weltkrieg maßen Juden in der Diaspora ihrer Jüdischkeit nicht mehr das ursprüngliche Gewicht einer nationalen Identität bei. Inzwischen hat sich nach politischen und kulturellen Umbrüchen diese Einschätzung verändert: Juden wägen jetzt immer wieder die Frage ab , welcher Status ihnen die größere Sicherheit verspricht.
Gleichzeitig muß sich Israel nach der Staatsgründung fragen lassen, wie es sich selbst zu Minderheiten verhält. Mittlerweile deklarieren israelische Politiker das Land als ausschließlich für Juden bestimmt und setzen Palästinenser unter zunehmenden Druck. Trumps Anordnung hat diese Gegensätze noch verschärft. Netanyahus und Trumps hardliner-Politik dienen anderen Politikern wie Viktor Orban in Ungarn oder Narendra Modi in Indien als Modell für eine ähnlichen Politik. Ob Nationalismus die Probleme der verschiedenen Staaten löst oder selbst das Problem darstellt, bleibt abzuwarten.
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