Vom Dritten Reich zum rechtsradikalen Untergrund in der DDR

Micha Brumlik bei der Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit 2016 in Hannover. Heinrich-Böll-Stiftung unter CC BY 2.0

In den Blättern für deutsche und internationale Politik 1/2020 bezieht Micha Brumlik zum Anschlag in Halle Stellung. Er stellt ihn in eine Reihe mit früheren antisemitischen Angriffen. Dabei weist er diesem Anschlag eine besondere Stellung zu, da hier fast alle Aspekte von Menschenfeindlichkeit zusammenkamen ….“ Hass auf selbstbewusste Frauen, auf Homosexuelle, Migranten und Muslime sowie vernichtender Hass auf jüdische Menschen, die jüdische Religion und die jüdische Kultur“. Als Täter wurde wie in Oslo, Christchurch und Pittsburgh ein vereinsamter weißer Mann identifiziert, der seine Mißerfolge in Lebensgestaltung und Partnerschaft zu mörderischer Menschenfeindlichkeit umgewandelt hat.
Diese Tat bringt Brumlik in Verbindung mit den Judenverfolgungen im christlichen Abendland, im Nationalsozialismus aber auch in Verbindung mit der politischen Kultur in der DDR. Dort wurden Juden als „Kosmopoliten“ und „Zionisten“ während des Stalinismus verfolgt und später zumindest von politischer Teilhabe ferngehalten. Gleichzeitig wurden der Nationalsozialismus in der DDR nur begrenzt aufgearbeitet und die Täter nach politischer Opportunität verfolgt. So lassen sich während der gesamten DDR-Zeit antisemitische und neonazistische Anschläge feststellen, die von den DDR-Behörden nur unter strenger Geheimhaltung registriert und verfolgt wurden. Gleichzeitig befanden sich die kleinen jüdischen Gemeinden in einer gewissen Falle. Die meisten ihrer Mitglieder waren aus selbstgewählter Loyalität in die sozialistische DDR zurückgekehrt, in gewisser Weise priviligiert aber zumeist auch von politischer Teilhabe ausgeschlossen. Öffentliche Kritik war von ihnen nicht zu erwarten. Auch in der weiteren Folge kam es in der DDR zu keiner nennenswerten Aufarbeitung der eigenen nationalsozialistischen Geschichte, ein kultureller Umbruch wie in den 1960er Jahren in der Bundesrepublik fand nicht statt.
Da nach der Wende die westdeutschen Institutionen vorrangig mit der Bewältigung der DDR-Planwirtschaft und der Offenlegung der menschenfeindlichen DDR-Exekutive beschäftigt waren, übersahen sie weitgehend die sich zunehmend organisierende und aktive rechtsradikale Szene in den neuen Bundesländern. Brumlik kann sich in seinem Beitrag auf etliche Veröffentlichungen in letzter Zeit, so von Ines Geipel, Annette Simon und Harry Waibel beziehen.
Sabine Adler hat am 10.10.2019 im Deutschlandfunk ebenfalls einen umfangreich recherchierten Beitrag veröffentlicht.
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