First Amendment oder McCarthy?

Am 15. Dezember 2019 gehen Myah Ward und Dan Levin in der New York Times der Frage nach, ob die Anordnung des Präsidenten gegen Hassreden auf dem Campus die freie Rede nach dem First Amendment einschränkt und gleichzeitig zu einer neuen Form der Gesinnungsüberprüfung führt. Dazu haben Ward und Levin Reaktionen von Studenten in der Duke Universität in Nord Carolina gesammelt.
Trumps Anordnung, mit der er gegen antisemitische Rede und Kritik an Israel auf dem Campus amerikanischer Universitäten vorgehen will, hat mehr Fragen als Klarstellungen gebracht. Ein Teil der Studenten vermutet sogar, dass die Anordnung den jüdischen Studenten eher Nachteile bringen wird. So befürchten die Studenten, dass Auseinandersetzungen über die freie Rede und den Nahostkonflikt, die bis jetzt von den Universitäten ferngehalten werden konnten, Eingang in die Hörsäle finden und so ihr tägliches Leben belasten. Innerhalb und außerhalb der Universität.
Die Universitätsverwaltungen haben in Zukunft die schwierige Aufgabe, entsprechenden Vorwürfen nachzugehen und über ihre Berechtigung zu entscheiden. Das geschieht vor dem Hintergrund aktueller antisemitischer Anschläge in den USA und zunehmend gewalttägiger Übergriffe auf dem Campus. Trumps Anordnung wird von konservativen Gruppen, prominenten Juden und der israelischen Regierung begrüßt. Die Reaktion der Studenten ist deutlich abwägender. So befürworten die einen die Anordnung, andere sehen als Unterstützer der Palästinenser das First Amendment verletzt, den Verfassungszusatz, der die freie Rede garantiert.

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Handgeschriebene Kopie der Bill of Rights von 1798 ( Ausschnitt des First Amendment). National Archives and Records Administration 1408042.. Public Domain
Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances

Vom Weißen Haus, insbesondere von Jared Kushner als Berater des Präsidenten, wird die Anordnung weitergehend interpretiert und generell auch auf Israel bezogen: Antizionismus sei auch Antisemitismus.
Trotz etlicher antisemitischer Vorfälle an amerikanischen Universitäten sind jüdische Studenten nicht damit zufrieden, dass sie in Verbindung mit dem politischen Geschehen in Israel gebracht werden. Sie beklagen ebenfalls eine Gleichstellung von Antisemitismus und Antizionismus, die die Kritik an Israel verhindern soll. Gleichzeitig berichten die Studenten von einem Auftritt eines palästinensischen Rappers mit antisemitischen Äußerungen und von einem verhinderten Vortrag der ehemaligen israelischen Außenministerin Livni. Sie kritisieren das Auftreten der Boycott, Divestment and Sanctions-Bewegung gegenüber Israel. dem gegenüber würden Chinas Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren ignoriert.
Eine Studentin aus einer palästinensischen Familie betrachtet dagegen die Anordnung als eine anti-palästinensische, rassistische Maßnahme. Sie arbeitet in einer Gruppe, die sich für die Rechte der Palästinenser einsetzt. Für die jüdischen Mitglieder ihrer Gruppe fürchtet sie, dass ihnen jetzt eine doppelte Loyalität abverlangt wird. Die Gleichsetzung von Zionismus und Jüdischkeit bringe sie in eine schwierige Lage. Dabei hat die Studentin volles Verständnis für die emotionalen Bande amerikanischer Juden zu Israel, fordert aber, dass auch über die am meisten unterdrückte Minderheit in Israel, die Palästinenser, gesprochen wird.
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