Der als feinsinnig und gebildet beschriebene Kinderarzt Georg Bessau (1884 – 1944) übernimmt nach einer untadeligen akademischen Karriere, zuletzt als Direktor der Leipziger Universitätsklinik, die Nachfolge von Adalbert Czerny an der Charité.
Bei seinem Antritt 1932 findet er sechs Assistenzärzte vor, davon entläßt er die vier jüdischen. Gleichzeitig stellt er überzeugte Verfechter des NS-Gesundheitspolitik ein, wie Werner Catel und Friedrich Linneweh.
Später denunziert er den berühmten Kliniker Eduard Henoch posthum gegenüber der Verwaltung als Juden, seine Büste wird vom Klinikgelände entfernt. In Berlin verfolgt er seine bekannten Forschungen zu einem Totimpfstoff gegen Tuberkulose. Nach dem Lübecker Impfunglück war 1931 die Anwendung von Lebendimpfstoffen verboten worden. Im Tierversuch gibt es bei dem experimentellen Totimpfstoff erfolgversprechende Hinweise. Für die folgenden Versuche am Menschen bedient sich Bessau körperlich und geistig behinderter Kindern aus den sogenanten Kinderfachabteilungen. Das waren Einrichtungen, die verdeckt weiterhin nach Beendigung der „T4-Aktion“ die Tötungen von behinderten Kindern verfolgten. In Berlin war das die Kinderpsychiatrische Klinik „Im Wiesengrund“ im Bezirk Reinickendorf mit ihrem Leiter Dr. Hefter.
Die Kinder wurden aus anderen Kinderkliniken dorthin verlegt oder über Jugendämter eingewiesen. Sie stammten teilweise aus Heimen oder wurden von ihren Eltern abgegeben. Während Bessau noch in den zwanziger Jahren bei klinischen Versuchen an Kindern die Aufklärung und Einwilligung der Eltern forderte, impfte er jetzt selbst Kinder mit einem unerprobten Impfstoff ohne diese Voraussetzungen . Es waren Kinder, denen Kinderärzte ein ‚lebensunwertes Leben‘ bescheinigt hatten. Schon nach den ersten Impfungen ist offensichtlich, daß es zu heftigen, sehr schmerzhaften und langwierigen Impfreaktionen kommt. Erste Todesfälle treten auf. In der von Bessau geimpften Gruppe sterben sieben von 10 Kindern. Sie werden von Berthold Ostertag, dem Pathologen aus dem Rudolf-Virchow-Krankenhaus, einem überzeugten Nationalsozialisten, obduziert.
Nach dem Tod Bessaus 1944 werden die Impfversuche an behinderten Kindern fortgesetzt. Diese Kinder werden teilweise noch bis in den Sommer 1945 fortgesetzt in verschiedenen Kliniken beobachtet. Über ihr weiteres Schicksal ist in den wenigsten Fällen etwas bekannt. Die beteiligten Ärzte wurden nach dem Krieg nicht zur Verantwortung gezogen, Werner Catel konnte seine Karriere sogar noch als Direktor der Universitätskinderklinik in Kiel fortsetzen. Sein Lehrbuch für Kinderkrankenschwestern erschien in vielen Auflagen.
Der an den Kindern erprobte Impfstoff hat sich nicht bewährt und kam nicht zum Einsatz. Bessaus verbrecherische Versuche an Kindern wurden erst Ende der Neunziger Jahre allmählich aufgedeckt.
Prof. Thomas Beddies berichtete am 18. September 2019 in der Charité über Georg Besson. Die Fotos stammen aus dem Vortrag
TOL-
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