Späte Anerkenntnis der Schuld

Der Eingang zum ehemaligen Friedhof Jerusalem V zwischen dem Publix-Haus und dem Spore-Haus. TAL

Volkstrauertag – Friedenssonntag – die evangelischen Berliner Kirchengemeinden dachten heute auch an die Zwangsarbeiter, die während des Zweiten Weltkrieges vor allem auf ihren Friedhöfen zu schwerer körperlicher Arbeit gezwungen worden waren. Sie lebten in einem Gefangenenlager auf dem früheren Friedhof Jerusalem V in der Hermannstraße, unter unwürdigen Bedingungen untergebracht. Heute befindet sich an diesem Ort die Gedenkstätte NS Zwangsarbeit für die Evangelische Kirche.

Tafel zur Mahnung am Eingang zum ehemaligen Friedhof Jerusalem V. TAL


Seit etlichen Jahren findet hier auch an diesem Sonntag ein Gedenkgottesdienst statt.

Gedenkgottesdienst am Mahnort, einer ehemaligen Baracke des Zwangsarbeiterlagers, mit Generalsuperintendentin Dr. Julia Helmke, Prädikantin Anette Wodinski, Prädikant Thomas Beckmann, den Schülerinnen und Schülern der Evangelischen Schule Neukölln und Dr. Sebastian Prüfer und Irina Yudaeva am Saxophon. TAL

Zu dem versammeln sich Abgesandte der Gemeinden, die diese Zwangsarbeiter eingesetzt hatten. Sie legen dabei ihre Gedenksteine an einem Mahnmal als Zeichen der Schuld ab, die die Kirche mit dem Missbrauch an diesen Menschen auf sich geladen hat.

Abgesandte der Gemeinden legen Gedenkstein am Mahnmal nieder. TAL
Darunter auch der Gedenkstein der früheren Heilandsgemeinde, jetzt Ev. Kirchengemeinde Tiergarten. TAL

Der Gottesdienst heute wurde von Neuköllner Gemeinden, der Landeskirche und Schülerinnen und Schülern der Evangelischen Schule Neukölln gestaltet.

Generalsuperintendentin Dr. Julia Helmke bei ihrer Predigt. TAL

In ihrer Predigt wies Generalsuperintendentin Dr. Julia Helmke darauf hin, dass die Schuld der Kirche gegenüber den Zwangsarbeitern aus Polen und der Ukraine noch nicht beglichen sei. Die Kirche habe die Zwangsarbeit ohne Widerspruch und Widerstand für sich genutzt. Ebenfalls habe sie die unmenschlichen Lebensumstände der Zwangsarbeiter unwidersprochen geschehen lassen. Helmke ging dann auf das Schicksal eines jungen Menschen ein, den eine Schülerin mit der Lesung aus seinem Brief erkennbar gemacht hatte. Sie zitierte dazu Hiob, der ohne schuldig geworden zu sein sein Schicksal von Gott annnahm. So äußerte sich auch auch ein Zwangsarbeiter, der sich in seinem Brief an die Worte seiner Mutter erinnerte. Sie habe ihn gemahnt, statt Vergeltung Vergebung zu üben.

Ausstellung an der Lagermauer. TAL

Nach dem Krieg hat die Amtskirche diese Ereignisse vollkommen verdrängt. Auch in der Erinnerung der Zeitzeugen waren sie nicht mehr präsent. Erst in den Neunziger Jahren fingen einzelne Menschen aus den Gemeinden und der Zivilgesellschft an, Fragen zu stellen und nachzuforschen.

Heimatorte der Zwangsarbeiter. Aus der Dauerausstellung am Mahnort. TAL
Einsatzorte der Zwangsarbeiter auf den Berliner Friedhöfen. Aus der Dauerausstellung am Mahnort. TAL
Das Barackenlager auf dem ehemaligen Friedhof Jerusalem V. Aus der Dauerausstellung am Mahnort. TAL

So kamen die Lebensumstände der verschleppten Menschen und die Örtlichkeiten ans Licht, und schließlich wurde ein Mahnort geschaffen. Der Verein zum Erhalt der Gedenkstätte für das NS Zwangsarbeiterlager Berliner Kirchengemeinden ist seitdem aktiv.

Mit dem Segenslied Bewahre uns Gott endete der Gottesdienst und entließ die Besucher in den Nieselriegen des grauen Novembersonntag.

red-