Zwangsarbeit auf Berliner Friedhöfen.

Auf dem Friedhof Jerusalem V im Berliner Bezirk Neukölln bestand von 1943 bis 1945 ein Zwangsarbeiterlager. Dieses Lager war das einzige in Deutschland, das sich in der Verantwortung der Evangelischen Kirche befand. Hier fanden sich 1943 ca. einhundert Jugendliche und junge Männer wieder, die aus der Ukraine nach Berlin verschleppt worden waren. Unter menschenunwürdigen Umständen untergebracht mussten sie auf den Berliner Friedhöfen Zwangsarbeit leisten.

Der Eingang zum Friedhof Jerusalem V. TAL

Bis 2000 wurde diese Tatsache verdrängt. Dann erst beschäftigten sich die an diesem Unrecht beteiligten Gemeinden mit ihrer Schuld und erinnern seitdem in jährlichen Gedenkgottesdiensten an den Teil ihrer Geschichte.

Blick auf das ehemalige Zwangsarbeiterlager auf dem Friedhof Jerusalem V.
Heute Stelenfeld mit Gedenkstein: TAL

So trafen sich auch heute am Volkstrauertag VertreterInnen dieser Gemeinden am Gedenkstein auf dem früheren Lagergelände. In einem berührenden Gottesdienst, der sich auf den Psalm 10 bezog, trugen SchülerInnen der Evangelischen Schule Neukölln Texte aus den Aufzeichnungen der Zwangsarbeiter vor. Darin schildern sie die Missachtung, der sie in der Öffentlichkeit ausgesetzt waren, die Sehnsucht nach ihrer Heimat, die Gewalterfahrungen und den schrecklichen Hunger, den sie erleiden mussten. Ein Hunger, der sie sogar die Androhung schwerster Strafen vergessen ließ, wenn sie sich verbotenerweise selbst Essen verschafften. Mit diesen Texten versetzten sich die SchülerInnen in die Lage der Misshandelten und schilderten die Gefühle, die dabei in ihnen entstanden.

SchülerInnen der Evangelischen Schule Neukölln tragen Texte der Zwangsarbeiter vor. TAL

Das folgende Lied beschreibt die aktuellen Konflikte, wo auch immer auf der Welt sie stattfinden:

Gib Frieden, Herr, gib Frieden,
die Welt nimmt schlimmen Lauf.
Recht wird durch Macht entschieden,
wer lügt, liegt oben auf.
Das Unrecht geht im Schwange,
wer stark ist, der gewinnt.
Wir rufen: Herr, wie lange?
Hilf uns, die friedlos sind.


Text: Jürgen Henkys

Die Gemeinde auf dem Stelenfeld. TAL

In seiner folgenden Predigt ging Pfarrer Peter Storck auf das quälende Dilemma ein, dem wir uns in dieser Zeit der gewaltreichen Konflikte ausgesetzt sehen. Auf die schwer zu beantwortende Frage, wie können wir den Opfern der Gewalt helfen, gibt es keine eindeutige Antwort. Indem wir ihnen die erbetenen Waffen liefern, damit sie sich gegen die Angreifer schützen? Wie wir uns auch entscheiden, machen wir uns auf die eine oder andere Weise schuldig.

Pfarrer Peter Storck, Prädikantin Annette Wodinski , Prädikant Thomas Beckmann, am Saxophon Irina Yudaeva. TAL

Wie eine Antwort erklang dann das Lied:

Hilf, Herr meines Lebens, dass ich nicht vergebens,
dass ich nicht vergebens hier auf Erden bin.

Text: G.Lohmann / M. Jenny
Melodie: H. Puls

Im Verlauf des Gottesdienst legten die GemeindevertreterInnen kleine Steinblöcke auf den Gedenkstein. Zeichen der Schuld, die die Gemeinden gegenüber den Zwangsarbeitern bekennen. TAL

Im Fürbittgebet fasste Prädikantin Annette Wodinski die Bitten um Hilfe noch einmal zusammen.
Pfarrer Storck schloss mit dem Aaronnitschen Segen.

Segnende Hände der Kohanim beim Sprechen des Aaronitischen Segens. Grab von Oberrabbiner und Kohen Meschullam Kohn (1739-1819) auf dem alten jüdischen Friedhof in Fürth, Bayern. Fotograf Alexander Mayer. Unter CC BY-SA 3.0


Prädikant Thomas Beckmann war an der Liturgischen Leitung beteiligt. Irina Yudaeva spielte dazu auf dem Saxophon.
red-

Anmerkung: Information zum Zwangsarbeiterlager

Informationstafel auf dem Lagergelände. TAL
Informationstafel auf dem Lagergelände. TAL