Die Kirche am Hohenzollernplatz. Unübersehbar

Die Kirche ist im Stadtbild nicht zu übersehen. Von den zahlreichen Berliner Innenstadtkirchen, meist um 1900 erbaut, hebt sie sich deutlich ab. Keine neogotischen oder neoromanischen Stilelemente, stattdessen ähnelt sie einem Industriebau wie die verschiedenen Umspannwerke, die auch nach ihrer Außerdienststellung erhalten geblieben sind. Kraftwerk Gottes hat man sie deshalb auch genannt. Geht man um die Kirche am Hohenzollernplatz herum, erschließen sich einem auch ihre Besonderheiten.

Die Kirche am Hohenzollernplatz. Von Ossip Klarwein entworfen. 1933 eingeweiht. TAL


In der Gemeinde war Ossip Klarwein als Architekt der Kirche bekannt. Das war alles. Deshalb entschloss man sich, Einzelheiten über Klarwein zu sammeln und damit eine Informationstafel in der Kirche zu gestalten. Dieser Aufgabe nahm sich Jacqueline Hénard an, von Haus aus Journalistin und Autorin mehrerer zeitgeschichtlicher Bücher. Da sich dieses Unternehmen ausweitete, holte sie sich Hilfe, unter anderem bei dem Architekturhistoriker Johannes Cramer. Er hat dieses Projekt, dass sich schließlich über drei Jahre erstreckte, eng begleitet. Daraus ist jetzt eine umfangreiche Ausstellung geworden, die gestern mit einem Gottesdienst eröffnet wurde.

Der Aufstieg zum Portal. TAL

Pater Klaus Mertes SJ hielt die Predigt. Ausgehend vom Text der Lesung, Jesaja 2, 1-5, nähert er sich gemessen der Kirche, steigt die zahlreichen Stufen zum Spitzbogen des Portals hinauf, um bewusst das Haus Gottes zu betreten und dort sein Wort zu hören. So wie Jesaja die Völker den Berg mit dem Tempel des Herrn besteigen sieht, den Berg, der alle anderen Berge überragt. Von dort hören sie die Weisung des Herrn und beenden ihren Streit. Dabei erinnert Mertes, dass die Gestaltung des Portals von manchen Betrachtern als orientalistisch empfunden wurde, andere haben sie als faschistisch bezeichnet. So unterschiedlich kann Wahrnehmung sein.
In die Kirche eingetreten ziehen die dreizehn großen Spitzbögen Mertes Blick nach oben. Er nimmt die eindrucksvolle farbliche Gestaltung wahr, die Helligkeit, das Licht und die schlichte Eleganz der Architektur.

Das Kirchenschiff. TAL

Mertes berichtet, dass Klarwein 1933 von seinem nationalsozialistisch eingestellten Chef Fritz Höger entlassen worden ist, trotzdem pflegten beide weiterhin ein gutes Verhältnis und korrespondierten miteinander. Bei unterschiedlicher politischer Einstellung bestimmte der gegenseitige Respekt ihr Verhältnis. Hier knüpft Mertes den Hinweis daran an, dass sich unterschwelliger Hass im gesellschaftlichen Leben oft nicht sofort sichtbar entwickelt, retrospektiv dann aber Erschrecken auslöst. Für uns heute fordert er deshalb Wachsamkeit und politisches Urteilsvermögen. Und mit Jesaja fährt er fort, die Völker sollten zu Gott gehen und ihn entscheiden lassen. Erst sind die Schwerter zu Pflugscharen umzuwandeln, dann kann der Frieden eintreten. . .pax opus justitiae . . . so lautete die Predigt an das Volk Gottes. Und das Licht leuchtete zur Gerechtigkeit der Thora – und von dort schlug Mertes den Bogen zur Bergpredigt , die das Licht der Welt darstelle.

Pater Klaus Mertes SJ in der Kirche am Hohenzollernplatz. TAL

Es war die Predigt eines Jesuiten in einer evangelischen Kirche zum Andenken an Ossip Klarwein, der vom Judentum zum Katholischen Glauben übertrat, eine evangelische Frau heiratete. und schließlich nach Palästina emigrierte. Nachdenkenswert.

Die Kuratorin Jacqueline Hénard berichtet zu ihrer Recherche
und der Entstehung der Ausstellung. TAL

Die umfangreiche Ausstellung in der Kirche am Hohenzollernplatz über Ossip Klarwein und sein großes Werk ist sehr informativ und unbedingt einen Besuch wert.
red-

Ossip Klarwein 1932. Foto in der Ausstellung gesehen. TAL