Salonica – Juden in Thessaloniki

Thessalonikis Stadtmauern. Fotograf unbekannt. Staatliches Archiv Republik Makedonien. Gemeinfrei.

Bibelkundigen sind die Briefe Paulus an die christliche Gemeinde in Thessaloniki geläufig. Dort gab es aber schon im 2. Jahrhundert vor Christi eine jüdische Diasporagemeinde. Mit der Flucht der sephardischen Juden 1492 und ihrer Aufnahme im Osmanischen Reich blühte diese Gemeinde auf und bildete im 16. Jahrhundert die Bevölkerungsmehrheit in der Stadt. Damit wurde Ladino, das Judäo-Spanisch, Verkehrssprache und Schabbat der allgemeine Ruhetag in der Woche. Zwischen den drei abrahamitischen Religionen gab es dabei ein weitgehend friedliches Miteinander. Man sprach von der Stadt auch vom Jerusalem des Balkans.
Die Situation änderte sich 1912 nach der Eroberung Makedoniens durch Griechenland, dem Großbrand in Thessaloniki 1917 und dem Türkisch-Griechischen Krieg 1922. Die folgenden Zwangsumsiedlungen von Griechen und Türken führten auch in Thessaloniki zu Bevölkerungsverschiebungen und einer spürbaren Auswanderung der Juden.
Auf die Besetzung Griechenlands 1941 durch die deutsche Wehrmacht folgte die Auslöschung der Jüdischen Gemeinde der Stadt. Von über 50 000 Juden konnten sich kaum zweitausend nach Italien und Spanien retten. Alle anderen wurden in Auschwitz und Treblinka ermordet. In der Zeit danach war Thessaloniki ähnlich wie Odessa einer der Sehnsuchtsorte der jüdischen Diaspora.

So entstand vor zehn Jahren die Idee, dieser Sehnsucht eine Form zu geben: Salonica, der Name der Stadt auf Ladino, sollte auch der Name für das Holokaust-Museum von Thessaloniki sein. Fünf Jahre nach dem Beginn der eigentlichen Planung ist dieses Museum jetzt im Bau.

Buch zur Erinnerung an den Besuch von Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und der Präsidentin der Griechischen Republik, Katerina Sakelaropoulou, auf der Baustelle der Salonica. 2024.
Gesehen in o.g. Ausstellung. TAL

Ruth Ur, die bisherige Geschäftsführerin der Freunde von Yad Vashem in Deutschland, übernimmt in dem entstehenden Museum die Aufgabe einer Chefkuratorin. Dazu informiert bis zum 15. März 2025 eine Ausstellung in der Werkbund Galerie, Deutscher Werkbund Berlin, Goethestraße 13, 10623 Berlin. Gestern fand die Vernissage statt, die zahlreich von Beteiligten und Interessierten besucht wurde.

Aktuelle Ausstellung in der Galerie des Deutschen Werkbundes. TAL

Tim Heide schilderte aus Sicht der ArchitektInnen die Baugeschichte, die Wahl des Bauplatzes und die Besonderheiten des Entwurfes. Das Museum entsteht auf einem auf in Thessaloniki knappem Baugrund in der Nähe des alten Bahnhofes.

Luftbild von Thessaloniki mit weiteren Informationen.
Buch zur Erinnerung an den Besuch von Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und der Präsidentin der Griechischen Republik, Katerina Sakelaropoulou, auf der Baustelle der Salonica. 2024. Gesehen in o.g. Ausstellung. TAL

Der achtstöckige Bau in Form eines Oktogons lehnt sich an romano-byzantinische Vorbilder an. Durch seine Lage und die Größe von 30 Metern ist das Gebäude als weißer Turm weit sichtbar. Die Fassade aus Beton und weißem Marmor erscheint aus den unterschiedlichen Richtungen in sehr unterschiedlicher Form. Unten weitgehend verschlossen, zeigt sie weiter oben verschiedene Fenster und wird dann zunehmend offener.

Das Modell von Salonica. TAL

Die nächtliche Beleuchtung wird das Museum auch zu einem Fixpunkt der Stadt in der Dunkelheit machen. Wegen der Komplexität des Vorhabens wurde neben den drei Architekturbüros (Berlin, Tel Aviv, Thessaloniki) ein großer Kreis von Fachleuten aus Technik, Kultur, Verwaltung und Politik benötigt.

Die Beteiligten . . . .Informationsblatt zur Vernissage (s.o.) TAL

Dabei erwähnte Heide auch die verschiedenen Besuche von Bundespräsident Steinmeier und die wichtige und unverzichtbare Unterstützung des Bürgermeister Giannis Boutaris. Letzterer hatte auch einen großen Anteil am Umdenken in der Stadtgesellschaft.

Ruth Ur bei ihrer Präsentation. TAL

Ruth Ur berichtete anschließend als künftige Chefkuratorin über die jüdische Geschichte Thessalonikis. Für sie ist der Aufbau eines Holokaust-Museums, auch neben dem bereits existierenden Jüdischen Museum und dem Archäologischen Museum, eine eindeutige Notwendigkeit. Hier sollen die lange Geschichte der jüdischen Diaspora mit Schwerpunkt im 20. Jahrhundert und ihr großer Anteil an der Stadtgeschichte für alle sichtbar gemacht werden. Wenn in absehbarer Zeit das Museum bezogen werden kann, wartet auf Ruth Ur die umfangreiche Aufgabe, ihr Konzept umzusetzen, eine Dauerausstellung zu einzurichten, aber auch neue Formen, Geschichte zu kommunizieren, zu entwickeln. Das Gebäude bietet dafür vielfältige und interessante Möglichkeiten.
red-