Jüdischer Kinderarzt im Kampf gegen Rachitis. Buchvorstellung im Meerbaumhaus

Am 15. September 2022 konnte ein interessiertes Publikum die Vorstellung des oben genannten Buches im Meerbaumhaus verfolgen.
Dr. Benjamin Kuntz berichtete Näheres über den jüdischen Kinderarzt Kurt Huldschinsky, der am 24.November 1883 im oberschlesischen Gleiwitz geboren wurde. Nach dem Studium arbeitete er u.a. am Kaiserin-Auguste-Victoria-Haus in Berlin und an der Universitäts-Kinderklinik in Wien. 1919 wechselte er dann zum Oskar-Helene-Heim, einer Stiftung zur Behandlung behinderter Kinder.
Unter seinen Patienten hatte er auch eine größere Anzahl von Kindern mit der Knochenerkrankung Rachitis. Diese Kinder bilden keine ausreichend stabilen Knochen, sodass sich besonders Beine und Wirbelsäule verformen. Gegen diese Erkrankung gab es noch keine gezielte Behandlung. Sie trat vor allem bei Kindern in schlechten Wohnverhältnissen auf, die auch kaum an die frische Luft kamen. Versuchsweise setzte er mit der Zustimmung seines Chefarztes Konrad Biesalski eine Gruppe von Kindern unter eine Höhensonne und konnte bei diesen Patienten bald eine deutliche Stabilisierung der Knochen und ein allgemein besseres Gedeihen feststellen. Die positiven Knochenveränderungen ließen sich auch eindeutig auf Röntgenbildern nachweisen.
In der Folge systematisierte Huldschinsky die Behandlung mit UV-Licht, hielt zahlreiche Vorträge über die neue Therapie und schuf spezielle Behandlungseinrichtungen.

Wenig später konnte auch der Biochemiker Adolf Windaus nachweisen, dass die für den Knochenstoffwechsel wichtige Substanz (bekannt als Vitamin D) in der Haut unter Sonneneinstrahlung zu ihrer wirksamen Form umgewandelt wird. So konnte Rachitis auch mit Vitamin D als Medikament behandelt werden.

Für die bahnbrechende Entdeckung der Wirksamkeit von UV-Licht bei Rachitis und seine weiteren Forschungen zur Prävention und Therapie dieser Krankheit wurde Huldschinsky 1926 mit dem Otto-Heubner-Preis der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde geehrt. Sogar für den Medizinnobelpreis schlug man ihn vor. Als Jude musste er 1933/34 vor den Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen. Zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter emigrierte er nach Ägypten, wo er am 31. Oktober 1940 in Alexandria starb.

Die Veranstaltung endete in einem allgemeinen und interessanten Gespräch zu medizinhistorischen Fragen. Die Moderation und Organisation der Veranstaltung hatte Gleis 69 e.V. übernommen.

Dr. Benjamin Kuntz ist Gesundheitswissenschaftler und Medizinhistoriker. Er ist am Robert-Koch-Institut und an der Charité tätig. In den letzten Jahren hat er bereits mehrere Bücher über jüdische Ärzte und Ärztinnen verfasst.

Dr. Benjamin Kuntz bei der Buchvorstellung im Meerbaumhaus am 15.09.2022. Fotografin Angelika Grigat.

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