Gedenken in Grunewald

Mahnort Gleis 17 am Bahnhof Grunewald. TAL

Gut 60 Personen nahmen am Mittwoch, den 19. Oktober, an der diesjährigen Gedenkfeier am „Gleis 17“ im Bahnhof Grunewald zur Erinnerung an die Berliner Jüdinnen und Juden teil, die während der NS-Zeit ab Oktober 1941 „in den Osten verschickt“ wurden. Sie wurden ausgeplündert und landeten in Ghettos, Arbeits-, Konzentrations- sowie Vernichtungslagern in von Deutschland besetzten Gebieten in Mittelost- und Osteuropa. Viele der über 50 000 deportierten Männer, Frauen und Kinder wurden direkt nach der Ankunft „im Osten“ ermordet. Nur ein kleiner Teil überlebte den Terror.

Auf Initiative der im März 2022 verstorbenen Berliner Holocaust-Überlebenden Inge Deutschkron (1922 – 2022) findet die Gedenkfeier seit 2011 am Mahnmal „Gleis 17“ am Bahnhof Berlin-Grunewald statt. Erinnert wird dabei an den Beginn der Deportationen am 18. Oktober 1941. Inzwischen werden auch die anderen Berliner Deportationsorte wie der am ehemaligen Güterbahnhof Moabit (Gleis 69) und der am Anhalter Bahnhof in das Gedenken einbezogen. Veranstalter sind die Ständige Konferenz der NS-Gedenkorte im Berliner Raum, das Land Berlin, die Jüdische Gemeinde zu Berlin, die Israelitische Synagogen-Gemeinde (Adass Jisroel) zu Berlin, die Inge Deutschkron Stiftung und die Deutsche Bahn Stiftung.

Schülerinnen und Schüler aus einer 9. Klasse des Willi-Graf-Gymnasiums in Lichterfelde trugen Biografien deportierter Berliner Jüdinnen und Juden vor. Mit Petra Pau, Vize-Präsidentin des Deutschen Bundestages.
Im Hintergrund Dennis Buchner, Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin. STO

Inge Deutschkrons besonderem Wunsch gemäß werden immer auch junge Menschen in die Gestaltung der Gedenkfeier einbezogen. In diesem Jahr trug eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern einer 9. Klasse des Willi-Graf-Gymnasiums in Lichterfelde Biografien deportierter Jüdinnen und Juden vor. Sie berichteten z.B. von Frieda Flatau. Sie war Anfang 50, als sie am 18.10.1941 mit rund 1000 Menschen in das Ghetto Łódź (Litzmannstadt) verschleppt wurde. 1942 wurde sie nach Chemno/Kulmhof gebracht und dort am 8. Mai 1942 in einem Gaswagen mit anderen Opfern erstickt. Erinnert wurde auch an Else Ury (1877-1943) die mit ihren „Nesthäkchen-Büchern“ berühmt gewordene Berliner Kinderbuchautorin. Die damals 63-Jährige wurde Im Januar 1943 vom Güterbahnhof Moabit aus in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort wohl von der Rampe aus direkt in die Gaskammer geschickt und ermordet.

Prof. Uwe Neumärker, Vorsitzender der Ständigen Konferenz der NS-Gedenkorte im Berliner Raum 2022 und Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas eröffnet die Gedenkveranstaltung. STO

Begrüßt wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Uwe Neumärker, dem derzeitigen Vorsitzenden der Ständigen Konferenz der NS-Gedenkorte im Berliner Raum und Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Er erinnerte in seiner kurzen Ansprache noch einmal an die im März 2022 verstorbene Inge Deutschkron und ihr Vermächtnis. Der Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin, Dennis Buchner, erinnerte an die historischen Ereignisse und das Unrecht, das damals vom Staat und seinen Institutionen ausging und von der Bevölkerung hingenommen wurde. Er betonte, dass dieses Unrecht nie vergessen werden dürfe und sich Staat und Gesellschaft heute allen Tendenzen von Ausgrenzung und Antisemitismus widersetzen müssten, die wieder Fuß fassten.
Die Musikerin Antje Thierbach umrahmte die Veranstaltung mit ihrer historischen Oboe.
Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama sprach das Kaddisch. Wie traditionell üblich legten die Teilnehmenden zum Abschluss weiße Rosen auf dem Gelände des Mahnmals ab, was ein eindrucksvolles Bild abgab.
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Kränze und weiße Rosen zum Gedenken an die deportierten Menschen. STO

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In Ergänzung zu der offiziellen Gedenkfeier veranstaltete die Initiative „Nachhaltigen BücherboXX“ am frühen Nachmittag ein kleines Konzert zur Erinnerung an den Beginn der Deportationszüge vor 81 Jahren. Der Ort war die BücherboXX „Gleis 17“. Sie steht auf dem kleinen Platz in der Mitte des Kreises vor dem S-Bahnhof Grunewald.


Konzert an der „Bücherbox am Gleis 17“, betrieben vom Institut für Nachhaltigkeit in Bildung, Arbeit und Kultur GbR (INBAK) aus der Nachbarschaft des Gedenkortes (verantwortlich: Konrad Kutt. STO

Der Tenor Tal Koch sang Lieder zur Gitarre. Die Lieder hatte er für diesen Ort ausgewählt und komponiert. Er stammt aus Israel und lebt in Berlin. Seine Urgroßeltern gehörten zu den Opfern der Deportationen. Sie kehrten nie wieder zurück. Zwischendurch wurde die deutsche Übersetzung der Liedtexte vorgetragen. Es herrschte eine nachdenkliche und zugleich stimmungsvolle Atmosphäre, die Passantinnen und Passanten anzog.
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Tal Koch, ein aus Israel stammender Tenor. STO

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