Die Sklaverei – ein altes Unrecht ist noch nicht gesühnt.


In den letzten Jahren wird zunehmend mehr über diese Menschenrechtsverletzung berichtet. Auch weil Sklavenwirtschaft die Grundlage für viele große Vermögen in der Ersten Welt darstellt und gleichzeitig die Entwicklung vieler Staaten in der Dritten Welt bis heute spürbar behindert.

Haiti – Revolution, 1791-1804] Revenge taken by the Black Army for the cruelties practised…by the French. Library of Congress. Gemeinfrei.

Die New York Times hat das 2022 exemplarisch an dem Fall von Haiti verfolgt. 1791 haben sich seine aus Afrika verschleppten Einwohner von ihren französischen Herren befreit. 1838 wurden sie dafür vom französischen Militär gezwungen, eine Schuldverpflichtung von 60 Millionen Goldfranc gegenüber einer französischen Bank zu erklären. Mit diesem Geld ließen sich die früheren Plantagenbesitzer für den entgangenen Besitz an Sklaven und Grundstücken entschädigen. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts zahlte Haitis Bevölkerung eine Summe von ca. einer halben Milliarde Dollar an Tilgung und Zinsen erst an französische dann an amerikanische Banken zurück. Man sprach deshalb auch von der „doppelten Verschuldung“ Haitis. Diese Verschuldung hat nach Schätzungen von Wissenschaftlern für Haiti einen Verlust an Wirtschaftswachstum von ca. 21 bis 115 Milliarden Dollar bedeutet.

Sugar mill in the Plaine du Cul-de-Sac (Haïti) at Galette-Chambon 1. Januar 1974. Fotograf J.M. Lebigre. Unter CC BY-SA 4.0.

Konkret heißt das, Haiti verfügt bis heute über keine nennenswerte Infrastruktur, kein Gesundheits-und Bildungssystem, keine nennenswerte Polizei und wird stattdessen von Banden beherrscht. Es ist das Vorzeigebeispiel für ein gescheitertes Staatswesen.

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Auch in Großbritannien wird man sich zunehmend der historischen Last der Sklaverei bewusst. So hat man die Zahl der auf englischen Schiffen nach Amerika transportierten Afrikaner mit 3,4 Millionen Menschen berechnet. Die Gesamtzahl der von Europäern verschleppten afrikanischen Menschen schätzt man im Übrigen auf zwölf Millionen. Diese Transporte wurden u.a. von Barclay’s Bank finanziert und von Lloyd’s of London versichert. Der Gewinn aus dem Sklavenhandel ermöglichte Englands industriellen Aufbau, den Ausbau der englischen Eisenbahn, und ließ Hafenstädte wie Bristol, Glasgow und Liverpool groß werden. Auch sind nicht wenige Schlösser des englischen Adels mit diesem Geld erbaut worden.

Interior layout of a Slave Ship. Great Britain. Parliament. House of Commons. Unter CC BY-SA 4.0

Als die Sklaverei 1833 im Empire verboten wurde, entschädigte der Staat die Nutznießer der Sklaverei, darunter auch die University College London (UCL), Vorfahren des früheren Premierministers David Cameron und die Anglikanische Kirche. Die Plantagenbesitzer auf den englischen Karibikinseln erhielten nach heutigem Wert 20 Milliarden Pfund. Das Darlehen, das England dafür aufnehmen musste, hat der englische Steuerzahler erst 2015 zurückgezahlt. Besonders lukrativ war der Dreieckshandel zwischen England, Westafrika und der Karibik. Dabei wurden englische Waren gegen in Afrika gefangene Menschen eingetauscht und dann vorwiegend auf karibischen Zuckerplantagen zur Fronarbeit gezwungen. Der dort produzierte Rum und der Zucker wurde dann mit hohen Gewinnspannen verkauft. Das gleiche Geschäftsmodell betrieben auch nordamerikanische Geschäftsleute von New England aus. So entstanden die großen Vermögen der „Bostoner Brahmins“, des alten amerikanischen Geldadels.

Drawing of a landing of a cargo of slaves 31. Dezember 1859. State Library and Archives of Florida. Gemeinfrei.

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Mittlerweile ist sich die Anglikanische Kirche ihrer geschichtlichen Verantwortung ebenfalls bewusst und hat einen Fond in Höhe von 100 Millionen Pfund eingerichtet, der sich aus dem Kirchenvermögen von 10 Milliarden Pfund speist. Dieses Geld sollte ursprünglich zur Unterstützung notleidender Pfarrer dienen. Es wurde in den vergangenen dreihundert Jahre u.a. gewinnbringend im Sklavenhandel angelegt. Das Geld aus dem neuen Fond soll jetzt den Vorfahren der vom Sklavenhandel Betroffenen zugutekommen. Damit hebt sich die Kirche deutlich von den Vertretern der englischen Krone ab. König Charles III. und Thronfolger William vermeiden peinlich, jegliche Ansprüche auf Wiedergutmachung anzuerkennen.

Ein 2015 verabschiedetes britisches Gesetz gegen moderne Sklaverei (Modern Slavery Act) verpflichtet Unternehmen mit einem gewissen Mindestumsatz, jährlich nachzuweisen, wie sie Sklaverei in ihren Lieferketten verhindern. Viele, auch weltbekannte Firmen ignorieren dieses Gesetz. Man schätzt, dass weltweit ca. 25 Millionen Menschen zu Arbeitssklaverei gezwungen werden.

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2022 konnte die Wirtschaftshistorikerin Caitlin Rosenthal in einer Studie nachweisen, dass die Plantagenwirtschaft schon allein auf Grund ihrer Größe moderne Methoden der Betriebswirtschaft zur Anwendung brachte. Sie trennte Eigentum und Management und erlaubte so den Plantagenbesitzern ihren Betrieb von der englischen Insel aus zu führen. Sklaven wurden als Humankapital unter den Kriterien Nutzungsdauer, Wertminderung und Abschreibung in die Bilanz eingebracht. Sie waren auch wesentlich besser berechenbar als Kräfte vom freien Arbeitsmarkt. Caitlin sieht deshalb in der mit Sklaven betriebenen Plantagenwirtschaft den Beginn der von Gewalt bestimmten kapitalistischen Wirtschaftsform, noch vor dem durch die industrielle Entwicklung.

5 dollar banknote showing a plantation scene with enslaved cotton pickers with an overseer, in South Carolina. Planters Bank, South Carolina, USA, 1853. British Museum in London. Fotograf Osama Shukir Muhammed Amin FRCP(Glasg). Unter CC BY-SA 4.0.

Noch eine ganze Reihe von ehemaligen Kolonialmächten werden sich mit ihrer Rolle in der Sklaverei auseinandersetzen müssen. Dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen.
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Caitlin Rosenthal. Sklaverei bilanzieren. Herrschaft und Management. Aus dem Englischen. Jörg Thais. Matthes & Seitz. Berlin 2022.28 €

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