Daniel Cohn-Bendit auf der Suche

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Israelische Straßenschilder auf Hebräisch, Arabisch und Englisch
Fotograf Justin McIntosh, – Unter CC BY 2.0

Wer den Pariser Mai 1968 verfolgen konnte, dem ist der „rote Danny“ noch gut in Erinnerung. Aus deutscher Perspektive schien De Gaulles Fünfte Republik kurz davor zustehen, aus den Angeln gehoben zu werden. Und Cohn-Bendit hatte einen Gutteil dazu beigetragen. In seinem weiteren Lebensweg hat er kaum eine Möglichkeit ausgelassen, sich politisch zu beteiligen, und seinen Namen immer wieder in die Schlagzeilen der Medien gerückt.
Jetzt hat er, zwischen Altersweisheit und sich glücklich bewahrter Freude am Widerspruch, an einem Dokumentarfilm mitgewirkt. Sein Stiefsohn Niko Apel führte dabei Regie. Unter dem Titel „Wir sind alle deutsche Juden“ macht er sich auf die Suche nach der Antwort auf die Frage Was ist ein Jude? – und auf die Suche nach der eigenen Identität. Das fängt mit seiner Familie an. Der Vater, ein Berliner Rechtsanwalt, sagt sich als Trotzkist vom Judentum los. Die Familie flieht 1933 nach Frankreich, kann sich dort vor den Nazis verstecken. Die Eltern sterben früh, der neun Jahre ältere Bruder Gabriel kümmert sich um ihn. Und dann beginnt seine studentische und politische Laufbahn, die ihn zum Wanderer zwischen Frankreich und Deutschland werden lässt. Immer wieder wird er auch wegen seines Judentums angefeindet. Jetzt im Alter setzt er sich damit auseinander.
Auf seiner filmischen Reise durch Israel begleitet ihn ein guter Bekannter, Ofer Bronchtein, Pazifist und früherer Berater von Itzhak Rabin. Die vielen Stationen könnten unterschiedlicher nicht sein. Bronchtein, der auf dem Itzhak Rabin Square in Tel Aviv noch einmal den Mord an Rabin durch einen rechtsradikalen Israeli nacherlebt. Die Begegnung mit einem jungen äthiopischen Juden und nichtjüdischen Flüchtlingskindern legt ihre Ausgrenzung in Israel offen. Die Analyse eines ehemaligen Generals und Chefs des israelischen Inlandgeheimdienstes, dass Israel nach dem sechs Tage-Krieg einen weiteren Krieg zur Ausweitung seines Staatsgebietes führt, bleibt in Erinnerung.
Versöhnlich dagegen ist die Haltung einer liberalen Rabbinerin, die aber auch deutlich macht, wieweit der Weg zu einem friedlichen Zusammenleben von jüdischen Israelis und Palästinensern noch ist, geschweige bis zu einer Versöhnung.
Cohn-Bendit stellt viele Fragen und bekommt viele, oft widersprüchliche Antworten, die wiederum zu neuen Fragen führen. Aber auch das hat er inzwischen gelernt, ist etwas für das Judentum Typisches.
Ein Film, der eigentlich in das Programm um 20 Uhr gehört hätte, aber erst nach 23 Uhr zu sehen war. Schade.
Glücklicherweise ist er noch in der ARD-Mediathek zu finden.
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