Vor 100 Jahren – Mord an Walther Rathenau

Walther Rathenau (1867-1922). George Grantham Bain-Sammlung der
Library of Congress. Ohne weitere Angaben. Gemeinfrei.

Walther Rathenau (geb. 29.09.1867 in Berlin) war für Monarchisten und rechtsradikale Parteien in der jungen Weimarer Republik ein ausgesprochenes Hassobjekt. Als Großbürger und Industrieller, Jude und Schwuler, mit einem scharfen analytischen Verstand und musischen Talenten ausgestattet hob er sich von der Mehrzahl seiner Mitbürger ab. Im Kaiserreich wurde ihm, wie fast alle Juden, eine Offizierskarriere verweigert. Als Verantwortlicher für die Rohstoffversorgung im Ersten Weltkrieg machte er eine geordnete Kriegswirtschaft aber erst möglich.
Dazu bemerkte er „In den Jugendjahren eines jeden deutschen Juden gibt es einen schmerzlichen Augenblick, an den er sich zeitlebens erinnert: wenn ihm zum ersten Male voll bewusst wird, dass er als Bürger zweiter Klasse in die Welt getreten ist und keine Tüchtigkeit und kein Verdienst ihn aus dieser Lage befreien kann.”

Walther Rathenau. Bild von Edvard Munch. Eigenes Werk. Märkisches Museum. TAL

Bis zum Kriegsende plädierte er für einen Siegfrieden des Deutschen Reiches. Neben der Leitung des AEG-Konzerns hat er sich schriftstellerisch betätigt und auch intensiv und kritisch mit der deutschen Kolonialpolitik auseinandergesetzt. In der Weimarer Republik übernahm er dann in der Wirtschaftspolitik und bei den Reparationsverhandlungen zahlreiche Aufgaben. Seine politische Heimat fand er schließlich in der Deutschen Demokratischen Partei. Als Reichsaußenminister schloss er 1922 mit der UdSSR in Rapallo einen Vertrag, der dem Deutschen Reich größeren außenpolitischen Spielraum verschaffte. Trotzdem sah er sich zahlreichen Anfeindungen ausgesetzt.
Er schrieb dazu:„[Den] Menschen, die einen Teil ihres Lebens auf Hass gestellt haben, denen ist dieser Hass ein Bedürfnis und eine Existenzbedingung, die kann man ihnen nicht nehmen. Warum sucht denn jemand sein Glück in der Verfolgung seines Nächsten? Weil es ihn tröstet und erhebt, sich über andere zu stellen. Glückliche Menschen sind das nicht.“
Diese Anfeindungen gipfelten schließlich in dem Mordanschlag, den Mitglieder der Organisation Consul auf ihn am 24.Juni 1922 in der Königsallee im Grunewald verübten. Die Tat löste eine tiefe Erschütterung im ganzen Reich und darüber hinaus aus. Bei dem folgenden Prozess wurden zwar eine Reihe von Attentätern verurteilt, das Gericht vermied es aber, den rechtsradikalen Hintergrund der Tat zu beleuchten. Später bezeichnete man Walther Rathenau auch als das erste Opfer des Dritten Reiches.
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Gedenkstein für Walther Rathenau am Ort seiner Ermordung in der Königsallee, Berlin-Grunewald. TAL
Die Gedenktafel. TAL

Dem Andenken an
WALTHER RATHENAU
Reichsaußenminister der deutschen Republik
Er fiel an dieser Stelle durch Mörderhand
am 24. Juni 1922
Die Gesundheit eines Volkes
kommt nur aus seinem inneren Leben
Aus dem Leben seiner Seele und seines Geistes
Oktober 1946