. . . bald blühen wieder die Kirschbäume auf dem Mathilde-Jacob-Platz vor dem Rathaus Tiergarten. Wir fanden die Geschichte seiner Entstehung so bemerkenswert, daß wir uns freuen, sie hier noch einmal von Jörn Jensen, dem ehemaligen Bezirksbürgermeister von Tiergarten, in einem Gastbeitrag aufgeschrieben in Erinnerung zu bringen.
Der Mathilde-Jacob-Platz in Berlin-Tiergarten
Vor genau 21 Jahren wurde der Platz vor dem Rathaus Tiergarten in Mathilde-Jacob-Platz umbenannt. Vorher hatte er gar keinen Namen. Es war auch eigentlich kein richtiger Platz vor dem Rathaus; es war ein Stellplatz für Personenkraftwagen. Die Menschen, die ins Rathaus wollten, mussten sich durch die an- und abfahrenden und die abgestellten Autos ihren Weg suchen, oft sogar im Slalom. So passte das gesamte Ambiente hervorragend zusammen: das hässlich-schmutziggraue Rathaus aus der Nazizeit und der unfreundliche Platz davor – alles wenig einladend.
Ich wollte, dass die Menschen gerne ins Rathaus kommen, dass sie möglichst schon vor dem Rathaus einen Platz haben, auf dem sie verweilen und einen Schwatz miteinander halten können. Das Rathaus und der Platz davor sollten für die Menschen im Bezirk da sein.
Die Pkw-Stellplätze störten da nur.
Aber schon damals wurden die Bezirke vom Berliner Senat kurz gehalten; es wurde gespart und Geld nur für das unbedingt Nötige zur Verfügung gestellt. Und der Umbau des Platzes vor dem Rathaus gehörte in den Augen von Senator*innen und Abgeordneten nicht dazu.
Schließlich kam uns die „freie Wirtschaft“ zu Hilfe.
Die Berliner Sparkasse suchte für ihre Filiale in der Turmstraße einen vorübergehenden Ausweichstandort. Mit Baustadtrat Horst Porath war ich schnell einig, dass wir der Berliner Sparkasse den Platz vor dem Rathaus anbieten. Nach der Nutzung sollte die Berliner Sparkasse den Platz nach Vorgaben des Bezirksamtes umbauen. So entstand der Platz in seiner jetzigen Form, mit der Baumbepflanzung und dem Sitzstelenkreis.
Die Fraktionen von Bündnis 90/DIE GRÜNEN und SPD in der Bezirksverordnetenversammlung entschieden mit ihrer Mehrheit, dass der Platz gewidmet und nach Mathilde Jacob benannt wird.
Die CDU-Fraktion hatte schon vergeblich versucht, den Umbau des Platzes zu verhindern, weil dadurch ja Pkw-Stellplätze abgebaut wurden. Nun lief sie gegen die Benennung „nach einer Kommunistin“ Sturm. Denn Mathilde Jacob war Sekretärin und Freundin Rosa Luxemburgs und nach deren Ermordung Mitglied der USPD und später der SPD gewesen. Dass sie als Jüdin 1942 von Nazi-Schergen in das Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt wurde und dort 1943 starb, war für die CDU unerheblich, ebenso ihre Beteiligung zum Widerstand gegen das Naziregime.
Schließlich versuchte die CDU-Fraktion mit Unterstützung ihres Kreisvorstandes die Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung durch einen Bürger*innenbegehren auszuhebeln.
Auch dieser Versuch scheiterte allerdings kläglich. Die CDU konnte noch nicht einmal die für die Einleitung des Bürger*innenbegehrens erforderlichen Unterschriften einsammeln.
Und so haben wir heute noch den schönen Mathilde-Jacob-Platz mit den schwarzen Sitzstelen und den im Frühling üppig blühenden Zierkirschbäumen.
Jörn Jensen, Bezirksbürgermeisten a.D. von Berlin-Tiergarten
2 Gedanken zu „Mathilde Jacob – in die Mitte von MITTE – Gastbeitrag von Jörn Jensen“
Kommentare sind geschlossen.