Wir hatten bereits zur Eröffnung auf die Ausstellung aufmerksam gemacht, hier noch einmal eine Würdigung des Widerstandes aus einem Kreis „kleiner Leute“.
Am 10. November 2024 endete die Ausstellung „Widerstand in Luckenwalde“, die an die Mitglieder der Widerstandsgruppe „Gemeinschaft für Frieden und Aufbau“ erinnerte und den Mut der Mitglieder würdigte, Menschlichkeit auch unter Lebensgefahr zu bewahren.
Vor 80 Jahren, im Oktober 1944 begannen die Verhaftungen dieser Helden des Alltags, die ihre Menschenwürde bewahrten, indem sie das Leben und die Menschenwürde ihrer jüdischen Mitbürger beschützten. Im Kern dieser Gruppe agierte Hans Winkler, ein Justizangestellter, der bei brutalen Verhören von Nazi-Gegnern Protokoll führen musste und der beschließt etwas dagegen zu tun. In der Gastwirtschaft der Familie Rosin, die untergetauchten Juden einen Treffpunkt bietet, auch beherbergt und unterstützt, wird ein „Sparverein“ gegründet. Hans Winkler unterstützt seinen jüdischen Jugendfreund in Berlin ab 1941 mit Geld und Lebensmitteln. Im Sommer 1943 nimmt die Familie Winkler den jüdischen Jugendlichen Eugen Herman-Friede auf, nun sind es 5 Personen in einer kleinen 2-Zimmer Wohnung.
Gastwirt Rosin spricht vertrauenswürdige Luckenwalder an, vom kommunistischen Kellner bis zum NSDAP Mitglied, im Wehrmeldeamt Jüterbog arbeitend. Aus dieser Dienststelle bekommt die Gruppe Ausweispapiere wie Wehrpässe für die Illegalen, in die ein Schuhmacher mit einer speziellen Maschine für Schuhösen die Lichtbilder in die gefälschten Ausweise heftet. Auch für die späteren drei Flugblatt-Aktionen kommen Papier und Briefumschläge aus dieser Dienststelle.
Der Gastwirt, mit großer Menschenkenntnis und strategischer Arbeitsweise, spricht auch den jungen Kriegsverletzten Günter Naumann an, der in der elterlichen Metallwarenfabrik bei Fliegeralarm die Flugblätter vervielfältigt. Der Betreiber einer Kantine für das Wachpersonal des Kriegsgefangenenlagers (früher SPD-Mitglied) spendet und verwaltet Geld des „Sparvereins“, besorgt Fleisch, Brot und Lebensmittelkarten, sorgt später für die Verbreitung der Flugblätter. Ein selbstständiger Fleischermeister (NSDAP Mitglied), lernt Rosin und Winker kennen und spendet Geld und Lebensmittel. Die beiden letztgenannten und der Schuhmacher wurden im Dezember 1944 verhaftet.
Ein Jahr davor, im Herbst 1943 kam Werner Scharf, ein jüdischer Elektromechaniker aus Berlin, der mit seiner Partnerin Fancia Grün aus Theresienstadt geflohen war, zu Hans Winkler. Werner Scharf hatte schon in Berlin Erfahrung mit illegaler Arbeit. Sie beschließen, politisch tätig zu werden und gründen die Widerstandsgruppe „Gemeinschaft für Frieden und Aufbau“, der etwa 30 Personen in Berlin und Luckenwalde angehörten und die mit Flugblättern zur Beendigung des Krieges aufruft. Das Flugblatt von April 1944 ruft zum passiven Widerstand auf und das Flugblatt von August 1944 zum aktiven Widerstand und zur Niederlegung der Waffen.
Zwei Monate später beginnen die Verhaftungen: Hans Winkler, Werner Scharf, Günter Naumann, Gastwirt Rosin, bis Ende des Jahres sind fast alle Mitglieder der Gruppe verhaftet. Der Prozess für die nichtjüdischen
Mitglieder der Gruppe soll am 23. April in Potsdam stattfinden, genau an diesem Tag besetzte die Rote Armee die Stadt. Von den jüdischen Mitgliedern der Gruppe wurden Werner Scharf, seine Partnerin Fancia Grün und Gerhard Grün im März 1945 erschossen. Alle anderen Mitglieder der Gruppe überleben den Krieg, nur einer stirbt während der Haftzeit.
Die Ausstellung in der „Bibliothek im Bahnhof“ Luckenwalde wurde von der Arbeitsgruppe Erinnerungskultur erarbeitet. Die Eröffnungsrede am 12. Oktober hielt die Bürgermeisterin Elisabeth Herzog-von der Heide, die auch Mitglied der Arbeitsgruppe ist. Das Publikum, über 200 konzentriert und bewegt Zuhörende, die Redner, die Musik, alles vermittelte die Stimmung: dies hier ist unser persönliches Anliegen.
Unterstrichen wurde diese Atmosphäre durch das Gespräch mit dem Sohn von Eugen Herman-Friede und der Nichte von Günter Naumann, die vom langen Schweigen ihrer Verwandten in der Nachkriegszeit berichteten. Eugen Herman-Friede und Günter Naumann konnten wir im Dokumentarfilm „Fluchtpunkt Luckenwalde“ von Rolf Hosfeld als über 70jährige im Jahr 1998 im Gespräch erleben. Diese beiden jüngsten Mitglieder der Widerstandsgruppe starben 2018.
Der Filmautor Rolf Hosfeld sagte vor 26 Jahren: „ Ich war beeindruckt von der funktionierenden Moralität dieser Leute in dieser Stadt.“ Die Arbeitsgruppe Erinnerungskultur hat mir durch ihre sorgsame, liebevolle Einführung in die Ausstellung einen lebendigen Eindruck davon vermittelt. ( Quelle: Ausstellungskatalog)
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