Einleitung
Nach 1933 wurden Juden zielgerichtet aus der Gesellschaft ausgegrenzt und viele mussten das Deutsche Reich verlassen. Den hier Verbliebenen wurden zunehmend ihre Rechte genommen und die Ausübung der ursprünglichen Berufe unmöglich gemacht. Sie wurden an Leib und Leben bedroht, insbesondere durch SA-Gewalt, willkürliche Haft in Konzentrationslagern und schließlich durch die Deportation in Vernichtungslager. Zuletzt plünderten die Finanzbehörden sie mit Hilfe von Unrechts-Gesetzen aus. Sie erhielten Sonderabgaben auferlegt, ihre Konten wurden gesperrt, die Firmen enteignet und Immobilien beschlagnahmt. Nach der Deportation fiel auch noch der restliche Besitz an die SS und die Finanzbehörden.
Weg (Stationen)
Beginn am Gebäude Luisenstr. 32 -34 (früheres Finanzamt Moabit West) . Dann überqueren wir die Marschallbrücke und biegen in das Reichstagsufer ein. Von dort aus am südlichen Spreeufer weiter bis zur Moltke-Brücke. Unterwegs erhalten die SchülerInnen einzelne geschichtliche Informationen. An der Ecke Alt Moabit / Elisabeth Abegg-Straße folgen dann Demonstration von Fotos und ausführliche Erläuterungen zur Vermögensverwertungsstelle und der Erinnerungskultur nach dem Krieg.
Ehemaliges Finanzamt Moabit West in der Luisenstr. 32 – 34
Zu diesem Finanzamt gehörte die Dienststelle, die schon vor 1933 die Reichsfluchtsteuer erhob, die später in überwiegendem Maße emigrierenden Juden auferlegt wurde. Sie wurde aber auch bereits geflüchteten oder auch nur möglicherweise die Ausreise planenden Juden abgefordert.
Reichstagsufer Nr. 6 Gedenktafel für das Französische Gymnasium
Erinnerung an den Vorgängerbau des Französischen Gymnasium.
https://www.fg-berlin.eu/
https://de.wikipedia.org/wiki/Franz%C3%B6sisches_Gymnasium_Berlin
Der Reichstag in der Weimarer Republik
Der Reichstag brennt – 27.Januar 1933
Mit diesem Ereignis beginnt die Diktatur des nationalsozialistischen Regimes. Adolf Hitler bekommt sein Ermächtigungsgesetz.
https://de.wikipedia.org/wiki/Reichstagsbrand
https://de.wikipedia.org/wiki/Erm%C3%A4chtigungsgesetz_vom_24._M%C3%A4rz_1933
Hauptstadt Germania, Große Halle
Hinweis auf die nationalsozialistische Hauptstadt Germania – Planung,
die der regimetreue Architekt Albert Speer vor allem betrieben hat.
Die „Große Halle“ sollte etwa an der Stelle des Reichstags erbaut werden und ein Mehrfaches seines Bauvolumens umfassen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fe_Halle
https://de.wikipedia.org/wiki/Welthauptstadt_Germania
Kriegsende am Reichstag
Das Hissen der Roten Fahne auf dem Reichstag symbolisierte für die UdSSR den Sieg über Hitler-Deutschland und das Ende des Großen Vaterländischen Krieges. Für Deutschland war es die Befreiung von der Herrschaft des Nationalsozialismus.
Tiergarten nach 1945 ( Foto 1947 )
Der Winter 1945 / 1946 war so streng, dass die Berliner bei Kohlenmangel mit Axt und Säge in den Tiergarten zogen und sich dort mit Brennholz versorgten. In dem so kahl geschlagenen Tiergarten wurden dann von der Bevölkerung Kartoffeln und Gemüse angebaut.
Alt Moabit 143 – Preußische Provinzial-Steuerdirektion, dann Landesfinanzamt Berlin, später Vermögensverwertungsstelle des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg. Teil des Gebäudekomplexes Neuer Zollpackhof.
Erläuterung vor der Gedenktafel
Kurze Erläuterung des Ortes und der Aufgaben der Vermögensverwertungsstelle
Zu Einzelheiten, z.B. Sonderabgaben für Juden
Reichsfluchtsteuer. Vor 1933 zur Verhinderung von Kapitalexport erlassen, ca 1 Million RM pro Jahr. 1938/39 nach verändertem Gesetz 342 Millionen RM.
Judenvermögensabgabe 1938 im Zusammenhang mit der „Reichskristallnacht“. Eine Milliarde Reichsmark als „Sühneleistung“ für „die feindliche Haltung des Judentums gegenüber dem deutschen Volk.
Vermögenserklärung und Verwertung
Als Zeichen der bevorstehenden Deportation erhielten Juden einen umfangreichen Fragebogen , die Vermögenserklärung, in der die Betreffenden über ihren gesamten Besitz bis hin zur Unterwäsche Auskunft geben mussten.
Kaum hatte eine jüdische Familie ihre Wohnung zur Deportation verlassen, traf sich dort ein Finanzbeamter mit der Hausverwaltung, einem Gebrauchtwarenhändler und einem Schätzer. „Sie verglichen Wohnung und Vermögenserklärung miteinander, vermerkten fehlende oder zusätzliche Stücke. Der Taxator schätzte die einzelnen Gegenstände“, so der Historiker Wolfgang Dreßen. Möbel und Hausrat wurden versteigert, der verbleibende Erlös ging an das Finanzamt. Nach einer groben Schätzung wurden so den deportierten Juden in der intern so genannten „Aktion 3“ ein Vermögen von 15 Milliarden Euro geraubt. Möbel und Hausrat wurden versteigert. Der Erlös ging nach Abzug aller Kosten an das Finanzamt. Nach vorsichtigen Schätzungen von Regine Buchheim wurden den Juden in Deutschland durch die „Aktion 3“ Vermögenswerte in Höhe von umgerechnet 15 Milliarden Euro geraubt.
Zeitleiste zur Berliner Gedenktafel
1985 Vorschlag des VVN ( Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Verband der Antifaschisten ) für eine Berliner Gedenktafel zur Erinnerung an die „Vermögensverwertungsstelle“.
Die Tafel wird hergestellt, aber nicht aufgestellt.
Am 29.September 1988 Ankündigung im Tagesspiegel, dass demnächst eine Gedenktafel in Alt Moabit 143 aufgestellt werden soll.
1990 neuer aber vergeblicher Vorstoß, die Tafel aufzustellen.
Frühjahr 1994 Kurt Schilde entdeckt die Tafel im Rathaus Tiergarten. Bezirksbürgermeister Naujocks bereitet die Aufstellung der Tafel vor.
Am 17. Juni 1994 erhebt der Oberfinanzpräsident Ingo Trendelenburg Einspruch gegen die vor dem ehemaligen Standort der „Vermögensverwertungsstelle“ Alt Moabit 143 geplanten Aufstellung der Gedenktafel. Darauf wird die Tafel an die Rückseite des Grundstücks vor die Einfahrt der Feuerwache Tiergarten verlegt.
Am 24. Juni 1994 enthüllen der Tiergartener Bezirksbürgermeister Wolfgang Naujokat und der Vorsitzende der Berliner Jüdischen Gemeinde Jerzy Kanal die Tafel.
1999 wird die Tafel zerstört, später wieder ersetzt.
Am 22. September 2021 stehen Schülerinnen und Schüler des Französischen Gymnasiums Tiergarten vor der Tafel, die weiterhin für Ortsfremde nicht auffindbar in der Elisabeth -Abegg-Straße angebracht ist.
Anmerkungen
VVN ( Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Verband der Antifaschisten ) ist eine Vereinigung, die im Kalten Krieg als kommunistisch und von der DDR gelenkt eingestuft wurde.
Erst Ende der Neunziger Jahre und ab 2000 beschäftigte sich die Geschichtsforschung in größerem Umfang mit der Beteiligung der deutschen Wehrmacht und ziviler Behörden an den nationalsozialistischen Verbrechen und an den Kriegsverbrechen. Erst dann wurde diese Beteiligung auch in der breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen.
Die Todesanzeige für den Oberfinanzpräsidenten a.D. Ingo Trendelenburg ist ein Zufallsfund im Tagesspiegel und spiegelt vielleicht die Vergangenheit in der Gegenwart.
Ein weiterer Zufallsfund ist ein TAZ-Artikel vom 15.4.2002 zur Persönlichkeit von Ingo Trendelenburg und seiner Arbeitssituation.
Quellen:
Aly, Götz. Hitlers Volksstaat. Fischer. Frankfurt 2005
Friedenberger, Martin, Klaus-Dieter Gössel und Eberhard Schönknecht (Hg.). Die Reichsfinanzverwaltung im Nationalsozialismus. Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz. Berlin 2005.
Knobloch, Heinz. Meine liebste Mathilde. Das Arsenal. Berlin 1986.
Schilde, Kurt. Versteckt in Tiergarten. Weidler. Berlin 1995
Schilde, Kurt. Bürokratie des Todes. Metropol. Berlin 2002
Website Gedenktafeln in Berlin, Betreiber Gedenkstätte Deutscher Widerstand und des Vereins Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e.V. , letzter Abruf vom 3.Mai 2020:
https://www.gedenktafeln-in-berlin.de/nc/gedenktafeln/gedenktafel-anzeige/tid/vermoegensverwertung/
https://trauer.tagesspiegel.de/traueranzeige/ingo-trendelenburg/anzeigen
https://taz.de/!1115419/
Projekt des Französischen Gymnasium mit Gleis 69 e.V.
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