Seit 1938 das Columbia-Haus, eine ehemalige Militärstrafanstalt beim Bau des NS-inspirierten Flughafen Tempelhof abgerissen worden ist, geriet auch die Geschichte dieses Gebäudes weitgehend in Vergessenheit.
Damit ähnelt seine Geschichte der vieler anderer frühen Konzentrationslager, die kaum bekannter sind. Im September 2024 wurde jetzt mit der Einweihung eines Erinnerungszeichens für das Columbia-Hauses ein erster Versuch gegen das Vergessen unternommen. In die Böschung des Flughafengeländes am Columbia-Damm eingebettet, weist eine Schrift mit vier Meter großen Buchstaben auf das dort früher befindliche Gebäude in. „NICHT MEHR ZU SEHEN“ soll die Passanten, ob im Auto oder zu Fuß, zum Innehalten und Nachdenken anregen.
Was dort im Einzelnen geschehen ist, konnte man anschließend auf einer Veranstaltung am 16. Oktober 2024 im Flughafen Tempelhof erfahren.
Frau Prof. Stefanie Endlich berichtete dabei über die Entstehung der frühen Konzentrationslager in Deutschland und darunter auch des Columbia-Hauses und über ihren Stellenwert beim Aufbau des NS-Regimes. Noch davor entstanden nach dem 27.Februar 1933, der Nacht des Reichstagsbrandes, die wilden Gefängnisse und Folterstätten der SA, ob in Kellern, offengelassenen Fabriken oder Sturmlokalen. Allein in Berlin gab es ca. hundert dieser gefürchteten Orte der Gesetzlosigkeit und zügellosen Gewalt. Mit dem legalistischem Instrument der Schutzhaft konnte die SA, zur Hilfspolizei erklärt, ungehindert außerhalb des Rechtsstaates agieren. Sie nutzte diesen Freibrief ausgiebig, um die politischen Gegner der NSDAP auszuschalten und die Opposition einzuschüchtern. Dazu bediente sie sich aller nur denkbaren Möglichkeiten der Gewalt, von brutaler körperlicher Misshandlung bis zu sadistischer Entwürdigung. Ab 1934 wurde die Unterbringung zunehmend in die frühen KZ verlagert, davon bestanden in Berlin fünf. Deren Betrieb wurde im Verlauf der Entmachtung der SA von der SS übernommen. Sie entwickelte aus den dabei gewonnenen Erfahrungen bald ein reichsweites Netz an strukturierten und im Sinne des Regimes effizienten Einrichtungen.
Die folgenden Bilder stammen alle aus dem Vortrag von Frau Prof. Endlich.
Das Columbia-Haus nahm dabei eine Sonderstellung ein. Ab 1933 diente es der Gestapo als Ausweichmöglichkeit, wenn die Unterbringung von Gefangenen im übervollen Hausgefängnis der Prinz Albrecht-Str. 8 nicht mehr möglich war. Bereits 1934 übernahm die SS den Betrieb des KZ. Im Columbia-Haus befanden sich damals bis zu 450 Gefangene. Man schätzt, dass bis zum Abriss 1938 dort 8000 Menschen in Haft gehalten worden sind. Darunter waren Persönlichkeiten wie Leo Baeck, Hans Litten, Erich Honecker, Robert Kempner, Bernhard Lichtenberg, Georg Benjamin und Werner Finck. Die Leitung dieses KZ galt als Möglichkeit, in der Karriereleiter der SS aufzusteigen. Etliche dieser Personen übernahmen später die Leitung anderer KZ. Die Unterbringung der Gefangenen in diesem Haus zeichnete sich durch eine ausgesprochen schlechte Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung aus, die dort verhängten Strafen waren drakonisch. Das Columbia-Haus war wegen der Skandale unter dem SS-Personal und der dort stattfindenden Folterungen bei der Bevölkerung verrufen und gefürchtet.
Endlich beschrieb weitere Beispiele, bei denen ehemalige Festungen, Klöster, alte Fabriken und bereits geschlossene Gefängnisse kurzfristig unter menschenunwürdigen Bedingungen zu Schutzhaftanstalten umgewandelt worden sind. An diese Orte wird heute meist erst durch die Aktivität von zivilgesellschaftlichen Gruppen erinnert.
Anschließend schilderte Martin Bennis als Architekt die Konstruktion des Erinnerungszeichens, dessen Realisierung vom Beschluss bis zur Übergabe schließlich vier Jahre gedauert hat. Ein für Berliner Verwaltungshandeln nicht unüblicher Zeitraum. Das Zeichen ist als temporär für einen Zeitraum von zehn Jahren angelegt, um einer späteren Umgestaltung dieses Geländes nicht vorzugreifen.
Besonders berührend war es, von dem Schauspieler Volkmar Leif Gilbert den Bericht zu hören, den der Rechtsanwalt und Pazifist Dr. Kurt Hiller über seine Gefangenschaft 1933 im Columbia-Haus verfasst hat. Die Beschreibung der brutalen körperlichen und psychischen Misshandlungen war schwer auszuhalten.
Die Veranstaltung wurde vom Trio der Leo Kestenberg Musikschule begleitet, das Kompositionen von Karel Salmon und Zvi Nagan vortrug. Beide Komponisten sind nach 1933 emigriert und haben ihre Arbeit in Palästina fortgesetzt.
Allen hier Beteiligten ist ein informativer und interessanter Abend zu verdanken.
red-