Ambiguitätstoleranz und Antisemitismus

In der Lecture-Reihe „Wo liegt die Wahrheit? Über Ambiguitätstoleranz“
der Michael-Blumenthal-Akademie im Jüdischen Museum Berlin hielt Ilka Quindeau am 13. Mai 2024 ihren Vortrag über „Ambiguitätstoleranz und Antisemitismus“.
Natan Sznaider, der die Lecture-Reihe kuratiert und moderiert, übernahm die Einführung
.

Prof. Dr. Ilka Quindeaus Fachgebiete sind Klinische Psychologie und Psychoanalyse. Sie beschäftige sich bereits intensiv mit Konzepten der psychoanaytischen Theoriebildung, Erinnerungskultur, im weiterhin im Rahmen der gesellschaftlichen und individuellen Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und Holocaust mit Biographien von Überlebenden.

Sie ist Professorin an der Frankfurt University of Applied Sciences) und untersucht die Rolle des Anti­semi­tismus­vorwurfs in gegen­wärtigen öffentlichen Debatten aus psychoanalytischer Perspektive: u.a. interpretierte sie in den Printmedien veröffentlichte Kommentare über antisemitische Vorfälle (z.B. während der documenta 15, in deutschen Städten nach dem 7. Oktober 2022). Antisemitismus ist nach ihrer Auffassung eine Ausdrucksgestalt des Unbewussten, daher zunächst vage, flüchtig, schwer zu fassen. Er trifft auf das Unbewusste der Deutschen Geschichte, persönlich wie auch gesellschaftlich und betrifft damit uns alle. Es gibt nicht den einen, sondern verschiedene Formen des Antisemitismus. Die Psychoanalyse reflektiert seine individuelle Dimension.

Ambiguitätstoleranz in diesem Kontext erfordert eine ständige selbstkritische Auseinandersetzung mit eigenen Anteilen des Antisemitismus und ,damit einhergehend, die Perspektive des jeweils anderen anzunehmen.

Es folgte eine rege, teilweile auch kontroverse Diskussion mit Prof. Sznaider und dem Publikum. Auch hier betonte die Referentin noch einmal die zentrale Dimension der Selbstreflexion, die in der aktuellen Antisemitismusdebatte oft fehle.
j.w.