
Täter – Mitläufer – Widerständler: So umriss Prof. Dr. Manfred Gailus die Rolle der Evangelischen Kirche im Nationalsozialismus. Sein Vortrag am vergangenen Sonntag war der Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe, die in diesem Jahr im Meerbaumhaus der Ev. Kirchengemeinde Tiergarten stattfinden wird.

Die Reihe beschäftigt sich unter dem Motto „Mut und Wiederstand“ mit den verschiedensten Aspekten zur Persönlichkeit von Dietrich Bonhoeffer, an dessen 80. Todestag wir in diesem Jahr denken.

Gailus gab zu dem Thema einen historischen Abriss und begann mit dem Gottesdienst am 3. Februar 1933 in der Marienkirche. Dort hielt Pfarrer Joachim Hossenfelder in einer übervollen Kirche vor zwei SA-Standarten und unter 200 Hakenkreuzfahnen einen Dankesgottesdienst. In seiner Predigt über von Gott gesandte Männer schlug er einen Bogen von Bismarck, über Hindenburg bis zu Hitler.
Hossenfelder gehörte zu den Deutschen Christen, einer Gruppe, die bereits 1932 für die Innere Mission die Hilfe für Schwache ausschloss und ebenso die Judenmission und die Ehe mit Juden verbieten wollte, da so der Volkskörper geschwächt werde. Sie betrachteten das Alte Testament als undeutsch und wollten das Neue Testament von jüdischen Bestandteilen befreien.
In kürzester Zeit konnten sie nach der NS-Machtergreifung die Kirchenleitung und zahlreiche Gemeinden mit ihren Anhängern besetzen, ebenso auch die theologische Fakultät der Friedrich Wilhelm Universität. Anstelle des Volkes trat die Rasse, die NS-Ideologie erfüllte für sie die göttliche Schöpfungsordnung. Jetzt waren Massentrauungen und Sammeltaufen unter Hakenkreuzfahnen angesagt. Viele evangelische Pfarrer begrüßten diese neue Politik. War doch den meisten die Weimarer Republik als gottlos verhasst. Sie hatten ihre konservative und nationale Prägung im Kaiserreich und im Ersten Weltkrieg erhalten und bewahrt.

Fotograf Denis Apel . Unter CC BY-SA 3.0

Unter CC-BY-SA 3.0

Nachdem die Amtskirche das Jahr 1933 ohne spürbare Gegenreaktion hatte vorbeigehen lassen, fanden sich erst 1934 unter dem Eindruck des „Arierparagraphen“ einige Widerständler im Pfarrernotbund in der Kaiser Wilhelm Gedächtnis-Gemeinde zusammen. Dazu gehörten Martin Niemöller, Pfarrer an der Jesus Christus-Kirche in Dahlem, Dietrich Bonhoeffer, Studentenpfarrer und Martin Albertz, Superintendent in Spandau. Ihre Opposition war in erster Linie theologisch begründet und nicht politisch. So wies Gailus auch daraufhin, dass es große Überschneidungen zwischen NSDAP-Mitgliedschaft und christlichen Gemeindemitgliedern gegeben hat. Auch Pfarrer Niemöller hatte bei der Reichstagswahl 1933 noch für die NSDAP gestimmt.
Es gelang dem Pfarrernotbund eine Form von innerer Opposition als Bekennende Kirche (BK) aufzubauen, der sich über tausend Pfarrer in den verschiedenen Landeskirchen anschlossen. Sie bestimmten in ca 25 % der Gemeinden das Gemeindeleben und sagten sich von NS-orientierten Kirchenleitungen los.

Ihr spiritus rector war der Theologe Karl Barth, Professor in Münster und später in Bonn. Auf ihn geht die Barmer Theologische Erklärung von 1934 zurück. Mit Beginn des Krieges begründete Barth auch ein Widerstandsrecht gegen den Staat. In der Hälfte der evangelischen Gemeinden standen sich damals Deutsche Christen und Bekennende Kirche feindlich gegenüber und setzten sich in heftigen Kämpfen auseinander. Mit Kriegsbeginn ermüdete dieser Kirchenkampf und kam 1941 mit der Verhaftung der führenden BK-Vertreter zum Erliegen.

In den Gemeinden wurde diese Auseinandersetzung von vielen Frauen mitgetragen und unterstützt. Eine nannte Gailus an vorderster Stelle: die Berliner Studienrätin Elisabeth Schmitz. Sie hatte früh das NS-Regime abgelehnt und dann 1935 eine Denkschrift Zur Lage der deutschen Nichtarier verfasst. Darin wies sie bereits früh auf die mögliche physische Vernichtung der Juden hin. Diese Denkschrift ließ sie anonym 200 Amtsträgern der Evangelischen Kirche zukommen. Das erhoffte Echo blieb aber aus. Erst 1999 wurde sie als Autorin identifiziert.
Auch nach dem Krieg fiel es der Amtskirche schwer, sich von ihren Fehlern zu befreien. Im Stuttgarter Schuldbekenntnis setzte sie sich zwar mit ihrem eigenen Fehlverhalten auseinander, mochte aber nicht Täter und Opfer benennen. So blieb eine ungute Kontinuität in vielen Gemeinden und in der Kirchenleitung lange Zeit bestehen. Sie reichte bis in unsere Tage, was mit dem teilweisen Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonskirche steinern belegt ist. Auch die dort zu besichtigende Ausstellung gibt davon Zeugnis.

Bundesarchiv, unter CC-BY-SA 3.0

Die Veranstaltung war sehr gut besucht, der Vortrag wurde mit langem Beifall belohnt. die nachfolgende Diskussion verlief lebhaft. Ein insgesamt erfolgreicher Abend im Meerbaumhaus.
red-