Hanns Eisler, ein Komponist, der nicht allen sofort geläufig ist. Glücklicherweise trägt eine Berliner Musikhochschule seinen Namen – und ein Berliner Laienchor, der gerade seinen fünfzigsten Geburtstag feierte. Sogar Frederik Hanssen vom Tagesspiegel hat dem Chor einen fast kämpferischen Artikel aus diesem Anlass gewidmet.
Hanns Eisler zwingt aber auch jeden, der sich ihm nähert, zu einer Parteinahme. Vater Philosoph, Sozialist, Jude aus einer böhmischen Familie, Mutter aus einer schwäbischen Bauernfamilie. Familie lebt unter ärmlichen Umständen, da der Vater durch seine politische Überzeugung keine angemessene Stelle erhält. HE erwirbt sich seine ersten musikalischen Kenntnisse im Selbststudium, wird dann Schüler bei Schönberg, ist ein wahrer Europäer, reist viel, arbeitet noch mehr, schreibt neben Orchesterwerken zahlreiche Filmmusiken und Lieder, darunter als Kommunist auch viele Arbeiterlieder. Arbeitet mit Berthold Brecht und Ernst Busch zusammen. Die politischen Umstände, wie die Machtergreifung Hitlers, das Exil, das ihn bis in die USA führt, betreffen ihn unmittelbar. Seine politische Überzeugung verschlägt ihn im Kalten Krieg wieder nach Europa, schließlich in die DDR. Dort sorgt er mit seiner wenig angepassten künstlerischen Arbeit weiterhin für Konflikte.
Damit übernimmt man, wählt man ihn als Namenspatron, eine anspruchsvolle Verpflichtung. Der gleichnamige Chor stellt sich ihr seit fünfzig Jahren. Wir freuen uns, dass ein Mitglied des Chores dazu einen Gastbeitrag verfasst hat.
art-
Hanns Eisler Chor Berlin: ein Kind der 68er
28 Sängerinnen und Sänger (Studierende der Musikhochschule und anderen Berliner Universitäten) betreten am 6. Juli 1973 die Bühne des Konzertsaals der Staatlichen Hochschule für Musik in Berlin und singen Werke von Hanns Eisler, eines in (Ost-) Berlin wohnenden und bis dahin in (West-)Berlin fast unbekannten Komponisten.
Dieses Konzert unter der Leitung von Christina Hoffmann Möller und Susanne Jüdes zum 75. Geburtstag des Komponisten war das offizielle Gründungskonzert des Hanns Eisler Chors.
Mitte der 70er-Jahre war es in West-Berlin eine Provokation, einen Chor nach dem Komponisten der DDR-Nationalhymne zu benennen. Die von den 68ern geprägten Gründungsmitglieder des Hanns Eisler Chors wollten aber genau das: „Provozieren“.
In dieser Zeit, es gab Krieg in Vietnam und in Chile einen politischen Umbruch wollte der Chor durch ein passendes Repertoire von Hanns Eisler darauf aufmerksam machen. Einen langen Abend widmete er sich dem Leben und Werk Hanns Eislers mit ausführlichen Dokumenten, Texten, Lichtbildern und natürlich seinen inhaltlich und musikalisch aktivierenden Chorstücken. Der Erfolg im völlig überfüllten Gesellschaftshaus Neukölln war so überwältigend, dass eine Weiterarbeit ganz selbstverständlich war und ein fester Chor gebildet wurde. Dieser wuchs in den nächsten Monaten schnell auf über 60 Sängerinnen und Sänger.
Recht ungewöhnlich wirkte dieser Chor ohne einheitliche Chorkleidung, der Lieder und Chöre sang, die man sonst in den Konzertsälen (West-) Berlins und (West-) Deutschlands nicht hören konnte.
Die Gründung des Hanns Eisler Chors war einerseits schon Ergebnis einer langen (musik-) politischen Entwicklung und andererseits der Ausgangspunkt einer bis heute spannenden Chorarbeit.
Am vergangenen Wochenende feierte eben dieser Chor sein 50-jähriges Bestehen. Allerdings sind die Tage der Kampflieder vorbei. Gesellschaftskritisch und politisch sind die Mitglieder und das Repertoire des Hanns Eisler Chores aber geblieben. Umwelt, Globalisierung und Menschenrechte sind heute ihre Themen.
Das Dirigat des Chores üben immer noch die Chorleiterinnen der ersten Stunde aus: Frau Christina Hoffmann-Möller und Frau Susanne Jüdes. Beide sind immer noch mit ganzem Herzen dabei und dafür wurden sie mit der Geschwister Mendelssohn Bartholdy Medaille und dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Wir, die Mitglieder des Chores, wünschen uns noch viele schöne Jahre gemeinsam mit den Beiden und ebenfalls noch viele, schöne Konzerte.
Peter Gockel