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Vollständiger Text des Lebenslaufs

Käthe Kollwitz: geboren am 8.Juli 1867 in Königsberg/ Ostpreußen, gestorben am 22.April 1945 in Moritzburg bei Dresden. Käthe, geborene Schmidt wächst mit drei Geschwistern in einem liberalen, geistige Freiheit und soziale Verantwortung vermittelnden Elternhaus auf.

Ihr Großvater Julius Rupp musste seine Teilnahme an den Kämpfen der 1848-iger Revolution und die Gründung einer eigenen freireligiösen Gemeinde in Königsberg mit dem Verlust seiner Professur und seine unbeugsame freiheitliche politische und religiöse Haltung mit Gefängnisstrafen bezahlen. Von ihm bekam Käthe Kollwitz ihre Lebensmaxime „Jede Gabe ist eine Aufgabe“ und das Vorbild, für seine Überzeugungen einzustehen, auch wenn sie persönliche Opfer verlangen.
Ihr Vater konnte wegen seiner sozialistischen Ideale seine juristische Karriere nicht fortsetzen, er wurde Maurermeister .

Käthe und ihre Geschwister hatten einen großen Freiraum in Haus (für Theaterspiele) und auf dem großen Grundstück, das bis zum Pregelfluss reichte. Die Begabungen der Kinder wurden früh gefördert. Käthe und ihre Schwester bekamen Zeichenunterricht beim Kupferstecher Rudolph Mauer. Beide erweisen sich als talentiert, Käthe jedoch entwickelt den stärkeren Ehrgeiz: „Ich wollte in nichts anderem ausgebildet werden als in dieser Sache. Hätte ich gekonnt, so hätte ich mein ganzes geistiges Vermögen aufgehoben und meiner künstlerischen Fähigkeit zugeschlagen, damit doch bloß dieses Feuer hell brannte…“. Sie begann bei ihren Streifzügen durch die Stadt die Hafenarbeiter, die Marktfrauen und deren Milieu zu verinnerlichen: „Wenn meine späteren Arbeiten durch eine ganze Periode nur aus der Arbeiterwelt schöpften, so liegt der Grund dazu in jenen Streifereien durch die enge, arbeiterreiche Handelsstadt.“ „ Der Arbeitertypus zog mich, besonders später, mächtig an.“

Mit 17 Jahren durfte Käthe zu Ausbildung an die „Zeichenschule für Damen“ nach Berlin gehen. Ihr Lehrer Karl Stauffer machte sie mit der Kunst seines Freundes Max Klinger bekannt, dessen Zyklen mit Radierungen damals großen Eindruck auf sie machten. Nach diesem Jahr studierte sie privat in Königsberg, ihr Vater wünschte sich Käthe als Malerin. Sie schreibt darüber: „Es war eine triste Zeit, ich hatte reichlichen Malkater, und so griffen dann wieder meine Eltern auf eine Weise ein, für die ich ihnen noch herzlich dankbar bin. Sie schickten mich auf zwei Jahre (1886-1888) nach München…Als ich von dort nach Königsberg zurückkam, hatte ich arbeiten gelernt.“ Sie machte ihre ersten druckgrafischen Versuche. Diese Münchener Zeit, die sie in den Malerkreisen sehr genossen hatte, führte sie nicht zu einem Leben als freie Künstlerin.

Sie heiratete 1891 ihren langjährigen Verlobten Karl Kollwitz, den sie seit ihrem 12. Lebensjahr als Freund ihres Bruders kannte. Beide jungen Männer waren früh in die sozialdemokratische Partei eingetreten, Kollwitz wurde auch von Käthes Vater sehr geschätzt. Trotzdem hätte er seine Tochter lieber als Künstlerin gesehen. Er fürchtete, dass in ihrem Leben als Ehefrau und Mutter kaum Platz für ihre künstlerische Arbeit sein würde. Karl Kollwitz erhielt eine Kassenzulassung, was der jungen Familie das Existenzminimum sicherte. Sie mieteten eine Wohnung in der Weißenburger Str.25 in einem Arbeiterbezirk im Norden Berlins, die über 50 Jahre ihr Lebensmittelpunkt blieb.( Es ist die heutige Käthe-Kollwitz-Straße.)
Ein Atelier war noch nicht möglich. So war die Wohnung anfangs Arztpraxis und Atelier und bald auch Kinderstube. Der erste Sohn Hans wurde 1892 geboren, Sohn Peter folgte 1896. Sie konzentriert sich auf die grafischen Techniken und lässt die Malerei. „Es glückte nur sehr langsam, da auch meine Zeit knapp bemessen war“.
1893 stellt sie zum ersten Mal aus, auf der „Freien Berliner Kunstausstellung“ am Lehrter Bahnhof. Ebenfalls 1893 beginnt sie unter dem starken Eindruck von Gerhard Hauptmanns Drama „Die Weber“ ihren Zyklus „Weberaufstand“, den sie 1897beendet. Auf der „Großen Berliner Kunstausstellung“ 1898 wird sie mit dieser Arbeit schlagartig bekannt und gehrt. Der zweite siebenteilige Zyklus „Bauernkrieg“ erscheint 1908 und brachte ihr den „Villa-Romana-Preis“, ein Stipendium für einen einjährigen Aufenthalt in Florenz. Es beginnt in dieser Zeit auch die Suche nach anderen Ausdrucksformen, noch einfacher, stärker und kompakter. Sie war von der weicheren Lithografie über die Radierung zum harten, strengen Holzschnitt gegangen.

Bei einem Parisbesuch 1907 besucht sie mehrmals das Atelier von Auguste Rodin und bildet sich im plastischen Gestalten: „An den Vormittagen war ich in der alten Julianschule in der Klasse für Plastik, um mich mit den Grundlagen der Plastik vertraut zu machen.“ „Ich bin in der Plastik ganz schön vorwärtsgekommen“, heiß es Ende 1911. Eine ihrer ersten plastischen Arbeiten ist das Reliefporträt für einen Gedenkstein zum 100. Geburtstag ihres Großvaters Julius Rupp in Königsberg.

In den Jahren 1908 bis 1910 entstehen für den Münchner „Simplicissimus“ die „Bilder vom Elend“. Mit dem Schicksal der Arbeiterfamilien ist sie nahe vertraut durch die Praxis ihres Mannes. Sie begleitet ihn zu Hausbesuchen, kennt die kleinen überfüllten Wohnungen, die Last der Arbeit und der Armut, den Hunger, die Not und Verzweiflung, die Bedeutung des Wortes „arbeitslos“. Sie zeichnet auch die Mütter mit ihren Kindern im Städtischen Obdachlosenasyl an der Prenzlauer Allee. Ihre Bilder, geboren aus ihrem Mitgefühl, erschütternd in Ihrer Direktheit und Unerbittlichkeit der Darstellung treffen mitten ins Herz. Käthe Kollwitz litt unter dieser Not, sie darzustellen half ihr das Leben zu ertragen:
„Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind.“ Das ihre Kunst als Provokation wahrgenommen wurde, zeigt das Verbot eines Plakats, das für Kinderspielplätze warb und den Oberbürgermeister auf die schlechten Wohnverhältnisse hinwies. Das grafische Werk von Käthe Kollwitz war fast ausschließlich in den Wohn- und Praxisräumen in der Weißenburger Straße entstanden.

Der Übergang zur Plastik brauchte den Platz und das Licht eines Ateliers. Ab 1912 arbeitete sie im Atelierhaus Siegmundshof. Hier entstanden die Figuren der trauernden Eltern für den Soldatenfriedhof in Flandern, wo ihr Sohn Peter ruhte. Der Tod des Kindes, dem sie selbst die Erlaubnis gegeben hatte, sich freiwillig zu melden, erschütterte sie zutiefst: „In unser Leben ist ein Riss gekommen, der nie wieder heil wird. Soll auch nicht.“ Ihre Lähmung löst sich, als sie beschließt, ein Denkmal für Peter zu schaffen, diese Arbeit wird ein Lebenswerk dessen Vollendung 17 Jahre braucht. 1932 wird es auf dem Soldatenfriedhof in Flandern aufgestellt. In der „Freien Sezession“ wird 1916 ihre Plastik „Liebespaar“ ausgestellt.

Zu ihrem 50. Geburtstag, am 8.Juli 1917 gab es in ganz Deutschland Ausstellungen ihrer Werke. Die Anerkennung ihrer Lebensarbeit freute sie. Aber der Krieg dauerte an und ihr Sohn Hans war Soldat. Sie wird zur entschiedenen Kriegsgegnerin, die öffentliche Stellung gegen eine letzte Mobilmachung einnimmt. Das Kriegsende mit der anschließenden Revolution, die Rückkehr der an Körper und Seele Versehrten die Not, der Hunger und die Kälte. In dieser Zeit entstanden Selbstbildnisse, wie zur Selbstbefragung, zur Klärung wie immer bei ihr in Zeiten der Unruhe (sie hat über einhundert geschaffen). Die Zeit verlangte Teilnahme, es entstanden in den folgenden Jahren viele Plakate, die zur Solidarität aufrufen.

Die Preußische Akademie der Künste ernennt Käthe Kollwitz 1919 zum Mitglied, als erste Frau. Sie erhält den Professorentitel und wird 1928 Vorsteherin eines Meisteratelier für Graphik. 1929 erhält sie den Orden „Pour le mérite“ , auch als erste Frau.

Nach dem Sieg der NSDAP im März 1933 musste Käthe Kollwitz aus der Akademie austreten, verlor ihr schönes Atelier, konnte an der Akademieausstellung nicht mehr teilnehmen: „Leben kann man ja ohne die Arbeit, aber das Leben ist ohne Saft und Kraft.“ Als Freunde ihr den Wiedereintritt in die Akademie ermöglichen wollen, lehnt sie ab: „Ich will und muss bei den Gemaßregelten stehen“ – hier schließt sich der Kreis zum Großvater Julius Rupp. 1934 werden ihre Werke noch einmal ausgestellt, in Amsterdam, mit denen ihrer Freunde Otto Nagel und Heinrich Zille.

1937 wurden bei der Aktion „Entartete Kunst“ mindestens 36 ihrer Werke aus deutschen Museen entfernt und beschlagnahmt. Sie kann noch in einer Ateliergemeinschaft in der Klosterstraße ihre letzten Plastiken vollenden. 1940 stirbt Karl Kollwitz. Die Bronze „Abschied“ entsteht und ein Selbstbildnis mit Karl. Als sie schon nach Nordhausen evakuiert ist, wird ihr Berliner Wohnhaus von einer Brandbombe getroffen und völlig zerstört.

Ihre letzte Zuflucht findet sie in Moritzburg bei Dresden, wo sie wenige Tage vor Kriegsende am 22.April 1945 betreut von ihrer Enkelin stirbt. Befragt nach den wichtigsten Dingen in ihrem Leben antwortete die fast sechzig-jährige „ dass ich Kinder gehabt habe, dass ich einen solchen treuen Lebenskameraden gehabt habe und meine Arbeit.

Zitat aus Tagebüchern Februar 1915:

„Ich will noch nicht sterben, selbst wenn der Hans stirbt und Karl. Bevor ich nicht treu mit meinem Pfund zu Ende gewuchert habe und das in mich gelegte Samenkorn bis in den letzten kleinen Zweig zu dem entwickelt habe, wozu es bestimmt ist, will ich nicht abtreten...Seitdem ich das erkannt habe, ist mir fast heiter und viel fester zumut. Ich _d_a_r_f  nicht nur meine Arbeit vollenden -  ich _s_o_l_l_  sie vollenden.“

Weitere Werke

Weberzug, 1893-1897. Radierung. Käthe-Kollwitz-Museum Berlin. TAL
Sturm, 1893-1897. Radierung. Käthe-Kollwitz-Museum Berlin. TAL
Die Eltern, 1919. Lithographie. Käthe-Kollwitz-Museum Berlin. TAL
Mutter am Bett des toten Kindes, 1911. Radierung. Käthe-Kollwitz-Museum Berlin. TAL
Deutschlands Kinder hungern, 1923. Kreidelithographie. Käthe-Kollwitz-Museum Berlin. TAL
Mütter gebt von eurem Überfluß, 1926. Kreidelithographie. Käthe-Kollwitz-Museum Berlin. TAL
Die Klage, 1938 1941. Bronze. Käthe-Kollwitz-Museum Berlin. TAL
Turm der Mütter , 1937/ 38. Bronze. Käthe-Kollwitz-Museum Berlin. TAL
Pietà (Mutter mit totem Sohn). Bronze. Käthe-Kollwitz-Museum Berlin. TAL

Quellen

Die Tagebücher 1908–1943. Hrsg. Jutta Bohnke-Kollwitz. Siedler, Berlin 1989.

Ich sah die Welt mit liebevollen Blicken: Ein Leben in Selbstzeugnissen
von Hans Kollwitz und Käthe Kollwitz. Fourier Verlag, Wiesbaden 2017.

Käthe Kollwitz. Eine Gabe ist eine Aufgabe. Biographie. Ilse Kleeberger. dtv, 1983.

Elke Linda Buchholz. Persönliche Mitteilung, Rechercheunterlagen, Fotos (16.10.2020)

https://www.tagesspiegel.de/berlin/150-geburtstag-von-kaethe-kollwitz-die-muehen-einer-mutter/20034138.html

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/erste-umfassende-kaethe-kollwitz-biagraphie-13629401.html