. . . die Synagoga mit dem Schleier vor den Augen, den zerbrochenen Speer als Zeichen der Besiegten in der Rechten, so findet man ihre Darstellung noch in vielen Kirchen aus dem Mittelalter. Sind wir heute über diese Sichtweise hinausgekommen? Die Veröffentlichung von Joseph Ratzingers Beitrag «Gnade und Berufung ohne Reue. Anmerkungen zum Traktat ‹De Iudaeis›» in der Zeitschrift Communio wirft da Zweifel auf. Mit seinem Beitrag möchte er Ausssagen zum Verhältnis von Judentum und Christentum präzisieren und den Dialog dazu vertiefen. Bei der aufmerksamen Lektüre seines Beitrags fällt auf, daß eher neue Fragen entstehen. Ein selbstbezogener Text, in dem er sich häufig selbst zitiert, der eher als eine Selbstversicherung als ein Einstieg in einen Dialog wirkt. Den jüdischen Theologen Daniel Krochmalnik erinnert diese Haltung an die zurückliegenden, theologischen Disputationen im Mittelalter. In einem Gespräch mit Andreas Main vom Deutschlandfunk am 22.8.18 und dem katholischen Theologen Thomas Söding erhält man den Eindruck, daß dieser Beitrag eigentlich entbehrlich ist, wie auch seine Veröffentlichung, die auf Kurt Kardinal Koch zurückgeht. Dafür muß sich der Kardinal als Vorsitzender der Vatikanischen Kommision für religiöse Beziehungen mit dem Judentum fragen lassen, aus welchem Grund er sich so für die Veröffentlichung dieses Papiers eingesetzt hat. Denn Ratzinger hatte es ursprünglich als Beitrag für die Vatikan-interne kirchliche Diskussion verstanden. Ärgerlich ist, daß auch schon wieder der nutzlose Begriff des Antsemitismus durch die Medien geistert. Diese simple Zuordnung hilft zuallerletzt bei dieser Diskussion.
– TOL