Notwendige Revision der niederländischen Geschichtsschreibung.

Am 22. Februar werden jüdische Männer zwischen 20 und 35 Jahren auf dem Jonas Daniël Meijerplein in Amsterdam von der deutschen Ordnungspolizei zusammengetrieben.© NIOD

Über 2000 Tagebücher hat das Niederländischen Instituts für Kriegsdokumentation (NIOD) gesammelt. Tagebücher, die Niederländer während des Krieges , während der deutschen Besatzung geschrieben haben. Diese Tagebücher, handgeschrieben, werden gerade nach einem Bericht der New York Times vom 16. April 2020 transskribiert, um sie auch einem größeren Leserkreis zugänglich zu machen.
Diese Tagebücher waren aber auch eine der wichtigsten Grundlagen für den niederländischen Historiker Ies Vuijsje, der 2008 in seinem Buch „Wider besseren Wissens. Selbstbetrug und Leugnung in der niederländischen Geschichtsschreibung über die Judenverfolgung“ die offizielle niederländische Geschichtsschreibung in Frage stellte. Sie beruhte auf der 28bändigen Geschichte des „Königreiches der Niederlande im Zweiten Weltkrieg“, einem Werk , an dem der damalige NIOD-Direktor Loe de Jong 22 Jahre lang gearbeitet hatte. Ies Vuijsje warf ihm nichts Geringeres als Geschichtsfälschung und Unterschlagung von Quellen vor. Die niederländische Geschichte des II. Weltkrieges mußte daraufhin umgeschrieben werden.
In den zweitausender Jahren fand dazu auch eine Tagung in der Niederländischen Botschaft in Berlin statt. Dabei berichteten Historikerinnen und Historiker aus den Niederlanden, wie gerade anhand umfangreicher Recherchen in den angegebenen Tagebüchern das Geschichtsbild für den II. Weltkrieg in den Niederlanden korrigiert werden konnte. Das Maß an bisher verschwiegener Kollaboration in Zivilverwaltung, Polizei und in breiten Bevölkerungskreisen bei der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung löste eine umfangreiche Diskussion aus. Von 107 000 aus den Niederlanden deportierten Juden waren nur 5000 in ihre Heimat zurückgekehrt.

Am Morgen des 20. Juni 1943, einem Sonntag, finden in Amsterdam große Razzien statt. Ganze Stadtviertel werden abgeriegelt und Juden werden aufgefordert, sich zu Sammelplätzen zu begeben. Viele Juden haben diese Aktion erwartet; ihr Gepäck steht schon an der Tür bereit. Familien kommen mit schwerem Gepäck zum Sportpark auf dem Olympiaplein, dem Sammelplatz im Süden von Amsterdam.
© Herman Heukels, NIOD
Mitarbeiter des Bureau Joodse Zaken (Amt für Jüdische Angelegenheiten) der Amsterdamer Polizei überprüfen die Personalausweise jüdischer Händler auf dem Briefmarkenmarkt am Nieuwezijds Voorburgwal in Amsterdam.
Sommer 1942 / Bart de Kok, © NIOD
Amsterdam, Januar 1943. Ralph Polak und Miep Krant auf dem Dam, dem zentralen Hauptplatz von Amsterdam. Später tauchen beide unter und entgehen so der Deportation und Ermordung. Sie überleben die Kriegszeit im Versteck.
© Sammlung Joods Historisch Museum


In der Topographie des Terrors / Berlin war in der Zeit vom 30. Oktober 2019 bis April 2020 eine Ausstellung über „Fotografien der Verfolgung der Juden – die Niederlande 1940 – 1945“ zu sehen. Wegen der Pandemie mußte sie früher geschlossen werden. Die Ausstellung wurde deshalb online gestellt.
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PS Am 5. Mai 2020 beschäftigt sich der Deutschlandfunk ebenfalls mit dem Thema und unterstützt damit unseren Beitrag.

PS 2 Am 7. Mai 2020 berichtet der Deutschlandfunk darüber, wie Aktion Sühnezeichen an 107 000 deportierte niederländische Juden erinnert.

Aus der Ausstellung über „Fotografien der Verfolgung der Juden – die Niederlande 1940 – 1945“ . TAL

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