Dem Deutschlandfunk kann man nur immer wieder Dank sagen für die „Lange Nacht“ am Wochenende. Eine Sendung, die zwei und eine halbe Stunde am Freitag und Samstagabend zu hören ist. Die Themen sind vielfältig, viele Sendungen bleiben einem noch lange im Gedächtnis. Dazu gehört auch die über die ostgalizische Stadt Buczacz. Sie hat das Leben unter anderem von Samuel Agnon, Emanuel Ringelblum, Simon Wiesenthal und Alicia Appleman-Jurman geprägt.
Der Historiker Omer Bartov hat eine Chronik dieser Stadt unter dem Titel „Anatomie eines Genozids: Vom Leben und Sterben einer Stadt namens Buczacz“ verfasst. Dabei verfolgt er einen mikrohistorischen Ansatz, indem er den einzelnen Schicksalen nachgeht.
So auch dem Schicksal von Alicia Appleman-Jurman, die in B. aufwächst, dann unter der deutschen Besatzung mehrmals einer Erschießung entkommen kann und schließlich zu den Partisanen geht.
Omer Bartov hat Alicia Jurman-Appleman für sein Buczacz-Buch interviewt. „Falls ich überleben und diesem Strudel des Leids und der Verzweiflung entrinnen sollte, dann würde ich den Menschen, die wie ich überlebt hatten, die Hand reichen müssen und irgendwann in der Zukunft vielleicht sogar allen Menschen. Ich würde nicht weiterhin hassen können, weil ich trotz meiner Jugend wusste, dass der Hass mich letzten Endes zerstören konnte.“
Alicia Jurman-Appleman hat mit fünfzehn Jahren den Holokaust überlebt und sich dann um heimatlose Waisenkinder in Polen gekümmert.
Der Nobelpreisträger Samuel Agnon (Nobelpreis für Literatur 1966 gemeinsam mit Nelly Sachs) schafft ein literarisches Werk, das in Mythen und Realität um B. kreist. Schon sein jüdisches Elternhaus ist durch die religiösen Gegensätze zwischen Chassiden und den Gesetzestreuen aus Wilna geprägt. Sein Leben durch Erfahrungen in Galizien, Palestina und Deutschland.
Simon Wiesenthal, in B. geboren, wächst in einer eher assimilierten jüdischen Familie auf und wird dort durch deutsche Kultur geprägt. Nach einem Architekturstudium in Prag lässt er sich in Lemberg, der Stadt mit den vielen Namen nieder. Dann prägen ihn Krieg und die Erfahrungen des Holokaust. Anlass für Wiesenthal, nach dem Krieg Gerechtigkeit für die ermordeten Juden zu suchen.
Emanuel Ringelblums Name ist untrennbar mit dem Untergrundarchiv Oneg Schabbat verbunden. Weniger bekannt ist, dass der ebenfalls in B. Geborene ein leidenschaftlicher jüdischer Historiker und jüdischer Aktivist war. Mitglied in der zionistischen Partei Poalei Zion, der auch Ben Gurion früh beigetreten war, Vertreter der YIVO in Warschau, hilft er 1938 den aus Deutschland nach Zbaszyn deportierten Juden, geht unter Bombenhagel ins angegriffene Warschau und kümmert sich dort um die Jüdische Gemeinde. Er bleibt auch im Warschauer Ghetto, wobei er Gelegenheit zur Flucht gehabt hätte, und betreibt dort unermüdlich eine umfassende Dokumentation bis zur Zerstörung des Ghettos, dem schließlich auch er und seine Familie zum Opfer fallen.
Eine lange Nacht, der man noch lange nachsinnt und auch den vielen lebendig gewordenen Schicksalen . . . .
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Sollte diese Sendung einmal nicht mehr online stehen, sind wir gern bereit, in einzelnen Fällen den Text zur Verfügung zu stellen.