Gestern wurde in der Stiftung Topographie des Terrors die Ausstellung „Der Tod ist ständig unter uns“ der Hamburger Gedenkstätten eröffnet. Sie ist zusammen mit dem Riga-Komitee und dem Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge erstellt und 2022 zuerst in Riga gezeigt worden. Die Ausstellung erinnert an die Deportationen der Juden aus dem Deutschen Reich und ganz Europa nach Riga. Die Verfolgung und Ermordung der Juden dort begann im Sommer 1941 nach der Besetzung Lettlands durch die deutsche Wehrmacht. Die Bilder des Holokaust werden vielfach durch die Geschehnisse in Auschwitz und in den Vernichtungslagern im besetzten Polen bestimmt. Dabei sind die Massaker der deutschen Truppen im Baltikum, Weißrussland und der Ukraine bis heute wenig bekannt. In Lettland stehen die Erschießungen in Rumbula und im Wald von Biķernieki stellvertretend dafür.
In ihrer Einführung wies Frau Dr. Riedle von der Topographie des Terrors darauf hin, dass von den 25 Transporten aus dem Deutschen Reich und dem Protektorat Böhmen und Mähren ein Drittel allein aus Berlin stammte. Ein Großteil der Berliner Juden sei auf dem Güterbahnhof Moabit in die Züge getrieben worden. In diesem Zusammenhang erwähnte Frau Dr. Riedle, dass trotz eines Runden Tisches das Schicksal der dortigen Deportationsrampe weiterhin ungeklärt sei. Das Reichssicherheitshauptamt in Berlin – am heutigen Ort der Topographie des Terrors gelegen – sei mit seinem Judenreferat ebenfalls vielfältig an diesen Deportationen beteiligt gewesen.
Als Botschafterin der Republik Lettland beschrieb Frau Alda Vanaga, dass nach der deutschen Besetzung 1941 insgesamt 90 000 Menschen aus dem Deutschen Reich und ganz Europa nach Riga deportiert und größtenteils ermordet worden sind. Deshalb sei es wichtig, auch heute offen über diese Verbrechen zu sprechen. Zumal die Verbrechen in der nachfolgenden sowjetischen Besatzungszeit bis jetzt nicht geahndet worden seien. 60 000 Letten wurden damals nach Sibirien deportiert. Damit schlug sie einen Bogen zum aktuellen Angriff Russlands auf die Ukraine. Denn die Russen hätten in einer Siegerhaltung und einem Bewusstsein der Straflosigkeit in diesem Krieg 20 000 ukrainische Kinder entführt.
Frau Mareike Geipel vom Auswärtigen Amt berichtete, wie sich die lettischen Juden nach der deutschen Besetzung mit einer sehr unterschiedlichen Haltung der christlichen Letten konfrontiert sahen. Sie reichte von der Kollaboration mit den deutschen Truppen bis zur Indifferenz gegenüber den verfolgten Juden. Von den 25 000 Juden aus dem Reich und dem Protektorat Böhmen und Mähren hätten nur Eintausend die Massaker in den Wäldern von Rumbula und Biķernieki überlebt. Deshalb sei es notwendig, die Instrumentalisierung von Geschichte durch Information, Erinnern und enge Beziehung der Völker zu verhindern.
Der Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Dr. Oliver von Wrochem, beschrieb anschließend, wie 2017 die Idee für diese Ausstellung bei einer Begegnung mit dem Riga-Komitee entstanden sei. 2022 konnte sie dann erstmals im wieder eröffneten Okkupationsmuseum in Riga gezeigt werden
Frau Franziska Jahn von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme war als Kuratorin beteiligt. Sie beschrieb die Situation der lettischen Juden, die nach dem deutschen Einmarsch Schlimmstes für sich befürchteten. So wurden sie bald in ein Ghetto gezwungen und ab November 1941 in den Wäldern erschossen, um Platz für die aus dem Deutschen Reich deportierten Juden zu machen. Anhand von Einzelschicksalen schilderte Höhn die unfassbaren Geschehnisse damals.
Dr. Clemens Maier-Wolthausen, ebenfalls von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, ging auf das Schicksal der Überlebenden ein. Sie suchten nach dem Krieg ihren weiteren Lebensweg oft in den USA und Israel. Bei dem Versuch, eine Ausgleich für die erlittenen Schäden zu erhalten, sahen sie sich in der DDR und in der Bundesrepublik mit anhaltenden Erschwernissen und oft Jahrzehnte dauernden Auseinandersetzungen konfrontiert. Unter der Sowjetherrschaft war es im übrigen in Lettland nicht möglich, an die jüdischen Opfer zu erinnern. Das gelang erst nach Auflösung der UdSSR.
das in der damaligen UdSSR an jüdische Opfer des Faschismus erinnert habe. TAL
Nach den Vorträgen waren die Gäste zu einer Besichtigung der Ausstellung eingeladen. Eine erste Inaugenscheinnahme zeigte eine Konzentration auf Einzelschicksale. Das erleichtert den Besuchern mit Sicherheit, eher die menschliche Dimension dieser Verbrechen zu erfassen, als es durch Nennung von Zahlen und Statistiken möglich wäre.
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