Darüber darf kein Gras wachsen. . .

Kisten mit Gebeinen aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, Rassenhygiene und Eugenik. TAL

Das war am 24. März 2023 die Mahnung von Prof. Günter Ziegler, Präsident der FU Berlin, bei der Trauerfeier für die menschlichen Hinterlassenschaften des Kaiser-Wilhelm-Institutes für Anthropologie, Rassenhygiene und Eugenik. Hier auf dem Dahlemer Waldfriedhof hatte sich eine große Trauergemeinde versammelt, um wenigstens im Ansatz die Würde der Menschen wiederherzustellen, die Opfer eines Verbrechens im Namen der Wissenschaft geworden waren.

Prof. Günter Ziegler, Präsident der FU Berlin. TAL

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Der folgende Text wird dann an der Grabstätte zu lesen sein:

An diesem Ort befindet sich die letzte Ruhestätte einer größeren Zahl von Toten, die nicht mehr namentlich identifiziert werden können. Ihre sterblichen Überreste wurden in überwiegend stark fragmentierter Form ab 2015 bei Bauarbeiten auf dem Außengelände der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin gefunden. Die Funde erfolgten damit auf dem Gelände des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Institutes für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik.

Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in der Ihnestr. 22 / 24 in Berlin-Dahlem bestand von 1927 bis 1945. Es war eine Stätte menschenverachtender, rassistischer und verbrecherischer Wissenschaft. Die Forschungen an diesem Institut – die von eugenischen und rassenanthropologischen Vorstellungen und Annahmen getragen waren – zielten bereits in der Weimarer Republik auf eine auf Auslese beruhende Politik. Ab 1933 stellte sich das Institut in den Dienst des nationalsozialistischen Regimes. Es lieferte eine vermeintliche Legitimation im Namen der Wissenschaft für die nationalsozialistische Verfolgungs- und Vernichtungspolitik und wirkte an Verbrechen des Nationalsozialismus mit. Es handelte sich damit um Verbrechen im Namen der Wissenschaft, also um Taten, die wissenschaftlich begründet, gerechtfertigt, beraten, begleitet und ausgewertet wurden.

Osteologische, nichtinvasive Analysen belegen, dass die Knochenfragmente von einer größeren Zahl von Menschen aller Altersgruppen stammen, und zwar sowohl von Personen männlichen als auch weiblichen Geschlechts. Die Untersuchungen zeigen Merkmale, die eine Herkunft der Gebeine aus den anthropologischen Sammlungen des Institutes wahrscheinlich machen. Es liegt nahe, dass ein Teil der Gebeine aus Kontexten kolonialer Verbrechen und daher aus verschiedensten Weltregionen stammt. In der NS-Zeit kooperierte das Institut mit den Konzentrations-und Vernichtungslagern, unter anderen mit denen in Auschwitz, und mit den Heil- und Pflegeanstalten, in denen die Nationalsozialisten Menschen mit physischen und psychischen Beeinträchtigungen ermordeten. Es ist daher sehr gut möglich, dass ein Teil der sterblichen Überreste von Opfern des Holocaust an Juden wie an Sinti und Roma oder anderer nationalsozialistischer Verbrechen stammt.

Im Gedenken an die Opfer einer menschenverachtenden, rassistischen und verbrecherischen Wissenschaft stellen sich die Freie Universität Berlin und die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, als Nachfolgeorganisation der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, ihrer historischen Verantwortung, die Erinnerung an verstörende ethische Grenzüberschreitungen und Verbrechen in der Wissenschaft lebendig zu erhalten. Sie setzen damit heute und in Zukunft ein Zeichen für die Notwendigkeit einer kontinuierlichen und kritischen Reflexion von Forschung. Sie appellieren zugleich an die moralische Verantwortung aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

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Daniel Botmann vom Zentralrat der Juden in Deutschland. TAL

Nach der Ansprache von Prof. Ziegler betonte Daniel Botmann vom Zentralrat der Juden in Deutschland, wie wichtig es sei, deutlich zu machen, dass es sich hier im Menschen handele. Menschen , die einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein, denen man den Namen geraubt und nicht eines Grabes für würdig gehalten habe. Man habe bewusst weiter eingreifende Untersuchungen und eine Differenzierung nach Gruppen vermieden. Das hätte dann wieder der Täterideologie entsprochen. Darin seien sich die Opferverbände einig gewesen.

Dotschy Reinhardt vom Zentralrat der Sinti und Roma. TAL

Anschließend beschrieb Dotschy Reinhardt vom Zentralrat der Sinti und Roma, welche Ungewissheit 2015 die Funde der Gebeine ausgelöst hätten. Eben weil bekannt war, dass Dr. Mengele Körperteile von ermordeten KZ-Häftlingen nach Berlin geschickt hatte. Sie schilderte, wie die in Auschwitz Ankommenden entweder gleich ins Gas geschickt oder zu Arbeitssklaven oder menschlichem Untersuchungsmaterial ohne Namen und Würde degradiert worden seien.
Später mit dem Ende des NS-Regimes waren dann die Angehörigen des Kaiser-Wilhelm-Institutes peinlich darauf bedacht, die Spuren ihrer verbrecherischen Forschung zu verwischen.

Prof. Ulman Lindenberger von der Max-Planck-Gesellschaft. TAL

Prof. Ulman Lindenberger von der Max-Planck-Gesellschaft wies auf das schwierige Erbe seiner Gesellschaft hin, dem sie sich auch sehr spät gestellt habe. So habe es erst 2001 eine Tagung zu den verbrecherischen Zwillingsversuchen gegeben. Spät erst sei die Art der Forschung an dem betreffenden Institut aufgeklärt und offengelegt worden. Man habe sich jetzt dazu verpflichtet, dass nie wieder Würde und Rechte von Menschen einer fragwürdigen Wissenschaft geopfert werden dürften.

Landeskonservator Dr. Christoph Rauhut. TAL

Abschließend zeigte Landeskonservator Dr. Christoph Rauhut, dass sich Berlin neben seinem positiven Erbe als kultureller und politischer Mittelpunkt des Kaiserreich schließlich zum Zentrum des NS-Regimes gewandelt habe und damit zum Zeugen zahlreicher Verbrechen geworden sei. Diese Taten seien im Namen der Wissenschaft geschehen und von der damaligen Gesellschaft akzeptiert worden. Ein Schuldbewusstsein hätte es nicht gegeben.
Er wies auch darauf hin, wie viele Fachleute sich nach der Entdeckung der Gebeine mit großem Aufwand um Aufklärung der Funde bemüht hätten. Invasive Untersuchungen seien aber bewusst ausgeschlossen worden.

Danach wurden die Kisten mit den Gebeinen in einer schlichten und stillen Zeremonie beigesetzt.
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Auf dem Weg zur Beisetzung. TAL
Die Beisetzung. TAL