Bei dem Stichwort „Juden im Elsaß“ werden sofort Erinnerungen an die ehrwürdigen Friedhöfe von Rosenwiller aus dem frühen 14. Jahrhundert und von Sèlestat aus dem 17. Jahrhundert wach. Und an Josel aus Rosheim, eine bemerkenswerte Persönlichkeit, der sich während seines wechselvollen Leben im 16. Jahrhundert zum Sprecher und Führer der Judenheit im Heiligen Römischen Reich und im Königreich Polen entwickelte. Er erwarb sich allgemein großes Ansehen, sodass er in Verhandlungen mit Kaiser Maximilian und Kaiser Karl V. einen Schutzstatus für die deutsche Judenheit erreichen konnte. In vielen Prozessen vertrat er erfolgreich jüdische Interessen.
In die bis in die jüngste Zeit wechselhafte Geschichte der elsässischen Juden reiht sich nahtlos ein Artikel der New York Times vom 5. März 2020 ein, in dem über wiederholte Übergriffe auf jüdische Friedhöfe im Elsaß berichtet wird. 67 Friedhöfe gibt es dort, sie liegen oft schutzlos außerhalb von Ortschaften oder auch inmitten des Waldes. Jetzt haben sich Freiwillige zusammengetan, die regelmäßig nach den Friedhöfen sehen und diesen gefährdeten Orten durch ihre Anwesendheit wenigstens einen moralischen Schutz bieten wollen. Die Haltung der Bevölkerung ist aber durchaus zwiespältig. Der Front Nationale von Marie Le Pen tritt auch im Elsaß immer deutlicher auf. In den kleinen Orten mit engmaschiger, sozialer Kontrolle müßte eigentlich bekannt sein, wer für solche antisemitischen Anschläge in Frage kommt. Aber die Nachforschungen verlaufen in der Regel im Sande.
Nur wenn die Bevölkerung die jüdischen Friedhöfe auch als Teil ihrer eigenen Geschichte begreift, besteht die Hoffnung, dass diese sinnlosen Anschläge ein Ende finden.
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