„Der Muslim und die Jüdin, die Geschichte einer Rettung in Berlin“

In der Filmreihe zu Jüdischem Leben in Moabit liest Ronen Steinke aus seinem Buch.

Ronen Steinke – links – mit dem Moderator des Abends Volker Wagner

Im vorangegangenen Film „Mohamed und Anna“ konnte das Publikum Ronen Steinke schon kennenlernen. Jetzt – bei der Vorstellung seines Buches „Der Muslim und die Jüdin. Die Geschichte einer Rettung in Berlin“ am 5. April 2019 – saß er persönlich im Alten Hörsaal des Moabiter Krankenhauses, das auch einen Schauplatz der Geschichte darstellt. Neben den verschiedenen Passagen seines Buches, die er hier vorlas, erzählte er aber auch ausführlich von der Entstehung des Buches. Eine Zeitungsnotiz hatte sein Interesse an der Geschichte geweckt, die weiteren Recherchen ließen ihn das Leben arabischer Menschen im Berlin der zwanziger Jahre entdecken. Darunter fanden sich Studenten, Geschäftsleute, Wissenschaftler, Künstler. Es waren weltläufige Menschen, die sich sicher in der bürgerlichen Welt Berlins bewegten und Kontakte zu Gleichgesinnten und an Kultur und Wissen Interessierten pflegten. Selbstverständlich auch zu Juden. Die Veranstaltungen in der Moschee am Hohenzollerndamm waren bekannt und wurden gern besucht. Der ägyptische Arzt Mohamed Helmy gehört zu diesem Kreis und erlebte hier einen kosmopolitischen Geist, der wahrscheinlich auch sein späteres Verhalten bestimmte. So behandelte er im Dritten Reich mehr und mehr jüdische Patienten, während gleichzeitig die jüdischen Ärzte zunehmend in ihrer Tätigkeit eingeschränkt und behindert wurden. Dabei lernte er auch Annas Familie kennen, ihre Mutter und ihre Großmutter. In ihren Augen wurde er schließlich zum letzten Halt, zur letzten Hoffnung, dass er sie vor der drohenden Deportation retten könnte.
Mit viel Mut und Einfallsreichtum, auch unter persönlicher Gefährdung, tarnte er Anna als seine Praxishilfe und versteckte ihre Großmutter bei Bekannten. An immer neuen Gefahren vorbei schaffte er es schließlich, beide Frauen bis zum Kriegsende vor dem sicheren Tod zu bewahren. Er selbst entkam ebenfalls immer wieder den Verfolgungen durch die Nazis, blieb auch nach dem Krieg in Berlin und starb hier 1983 hochbetagt.
Seine Geschichte wurde erst allmählich bekannt. Ein Tiergartener Arzt deckte sie bei Recherchen auf , setzte sich bei Yad Vashem für eine Ehrung als“ Gerechter der Völker“ ein und konnte schließlich auch eine Gedenktafel an seinem ehemaligen Wohnhaus in der Krefelder Str. 7 anbringen lassen.
Das aufmerksame Publikum hätte den interessanten und spannenen Erzählungen von Ronen Steinke sicherlich noch länger zuhören mögen, wenn nicht schließlich die fortgeschrittene Zeit für ein Ende des Abends sorgte. Wer bis dahin das Buch noch nicht gelesen hatte, würde es sich jetzt sicher besorgen.

Die Unsichtbaren – Wir wollen leben.

Film von Claus Räfle, 2017