Die IHRA und die Deportationsrampe am Gleis 69.

Deutschland hat 2020 den Vorsitz in der IHRA gehabt.

In seiner aktuellen Ausgabe (7/2024) erinnert der Gedenkstättenbrief an die Charta der Internationalen Allianz für Holocaust-Gedenken (IHRA) zur Bewahrung historischer Stätten. Üblicherweise wird bei Erwähnung der IHRA an eine der beiden verwendeten Definitionen des Antisemitismus gedacht, aber tatsächlich war ihre Arbeit wesentlich breiter angelegt.
Deshalb lohnt es sich, auch vor dem Hintergrund der laufenden Machbarkeitsstudie zur Gestaltung des ehemaligen Güterbahnhofs Moabit, den Text der Charta noch einmal durchzugehen.

In der Präambel erinnert sie an die Bewahrung der Stätten des Holocaust und nennt bei der Aufzählung der verschiedenen Stätten auch direkt die Deportationsorte.

Im Artikel I, den Grundsätzen der Bewahrung, verweist sie auf die allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Grundsätze des Internationalen Museumsrates (International Council of Museums, ICOM) im Zusammenhang mit den ethischen Grundsätzen zur Bewahrung historischer Stätten.

Der Artikel II identifiziert die Risiken in Bezug auf die Bedeutung historischer Stätten u. a. in der Vernachlässigung dieser Stätten und ihrer unzureichenden finanziellen Unterstützung. Dabei verweist er auch auf ihre Zerstörung oder Beschädigung durch neue Bauprojekte am Ort oder in ihrer Umgebung, bzw. durch unangemessene Nutzungsformen.

Artikel III klärt die Verantwortlichkeiten der Mitgliedsländer der IHRA bei der Bewahrung historischer Stätten. So sollen die Bedeutung einer Stätte als Richtschnur für die Bewahrung dieses Ortes dienen. Vernachlässigte und unsachgemäß genutzte historische Stätten haben einen Anspruch auf eine Verwendung, die respektvolle Würdigung ihrer Geschichte gewährleistet.

In Artikel IV werden die Maßnahmen zur Bewahrung historischer Stätten genannt. Sie sind in entsprechende Verzeichnisse aufzunehmen, für ortsspezifische Erhaltungsmaßnahmen einzuplanen. Es wird auf die wichtige Beteiligung der betroffenen Grundeigentümer verwiesen und die Sicherung der Stätten in Kaufverträgen. Die Beschädigung historischer materieller Überreste ist nach Möglichkeit zu vermeiden.
Bei anstehenden Planungen zu den historischen Stätten sind so viele einschlägige Gruppen wie möglich offiziell zu Rate zu ziehen und deren Ansichten zu berücksichtigen, bevor die Mitgliedsländer Entscheidungen treffen, die sich auf die Substanz der Stätte auswirken werden.

Gedenkort Güterbahnhof Moabit mit dem östlichen Ende der Deportationsrampe am Gleis 69. August 2020. TAL

Bei der Betrachtung der Geschichte des ehemaligen Güterbahnhofs Moabit und der dortigen Deportationsrampe am Gleis 69 erscheint es zweifelhaft, dass die Grundsätze der o.g. Charta berücksichtigt wurden. Bei der aktuell laufenden Machbarkeitsstudie besteht die Möglichkeit, das nachzuholen.
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